Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung des Einwands der Unmöglichkeit im Verfahren nach § 888 ZPO. Zulässiger Einwand der Unmöglichkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren. Unstreitige Unmöglichkeit der Beschäftigung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Vollstreckungsabwehrklage bei streitiger Unmöglichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ist der Unmöglichkeitseinwand grundsätzlich zu berücksichtigen
2. Beruft sich der Schuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren darauf, die Beschäftigung sei ihm unmöglich geworden, weil er nach Urteilserlass eine Organisationsentscheidung getroffen habe, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes geführt habe, kommt eine Berücksichtigung nur in Betracht, wenn diese unstreitig oder offenkundig ist.
Normenkette
ZPO § 888; BGB § 275; ZPO § 91 Abs. 1, § 724 Abs. 1; ArbGG § 62 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 20.08.2020; Aktenzeichen 6 Ca 746/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 20.08.2020 - 6 Ca 746/20 - abgeändert.
Gegen die Schuldnerin wir zur Erzwingung ihrer Verpflichtung aus dem Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 16.06.2021, nämlich den Gläubiger als HR-Director Deutschland weiter zu beschäftigen, ein Zwangsgeld in Höhe von 19.666,- € und für den Fall der Nichtbeitreibbarkeit ersatzweise für je 500,- € je einen Tag Zwangshaft, zu vollstrecken an den Geschäftsführern D., B. und C. festgesetzt.
Die Schuldnerin hat die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens unter Einschluss des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Schuldnerin kann die Vollstreckung aus diesem Beschluss durch die Erfüllung abwenden.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 19.666,- €
Gründe
I. Im Hauptsacheverfahren streiten die Parteien um den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Die Schuldnerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 27.03.2020 außerordentlich fristlos und darüber hinaus mit Schreiben vom 28.04.2020 zum 30.04.2021. Im zugrundeliegenden Kündigungsschutzprozess stellte das Arbeitsgericht am 16.06.2021 fest, dass beide Kündigungen unwirksam sind und verurteilte die Schuldnerin, den Gläubiger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als HR-Director Deutschland weiter zu beschäftigen. Gegen diese Entscheidung hat die Schuldnerin Berufung eingelegt (15 Sa 1370/21), über die noch nicht entschieden ist. -Director
Das Urteil wurde der Schuldnerin am 16.06.2021 zugestellt und dem Gläubiger am 02.07.2021 eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils erteilt. Da die Schuldnerin den Gläubiger nicht beschäftigte, leitete er auf der Basis der abgekürzten Ausfertigung des Urteils das Zwangsvollstreckungsverfahren ein und beantragte,
gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der im vollstreckbaren Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld niedergelegten Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Weiterbeschäftigung des Gläubigers als HR-Director Deutschland ein Zwangsgeld bis zu 25.000,- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern D., B. und C. festzusetzen;
hilfsweise gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der im vollstreckbaren Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld niedergelegten Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Gläubigers als HR-Director Deutschland ein Zwangsgeld für jeden Tag der Nichtbeschäftigung, beginnend mit dem 17.06.2021, von arbeitstäglich 500,- € höchstens jedoch bis zum 25.000,- € und für den Fall dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern D., B. und C. festzusetzen.
Die Schuldnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat eingewandt, die Beschäftigung des Gläubigers sei ihr unmöglich geworden, da die Stelle des HR-Director Deutschland ersatzlos entfallen sei. Die deutschlandweit übergeordnete Kombination der Personalleitungen sei von der Konzernzentrale in E an sich gezogen worden. Gleiches gelte für die Aufgaben des Gläubigers im Hinblick auf die Restrukturierung der Werke. Die übrigen Tätigkeiten seien den alltäglichen Personalleitern übertragen worden.
Zugleich hat die Schuldnerin Vollstreckungsgegenklage erhoben, die vor dem Arbeitsgericht Bielefeld unter dem AZ 6 Ca 1376/21 anhängig ist.
Nach mündlicher Verhandlung hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 20.08.2021 den Zwangsvollstreckungsantrag zurückgewiesen. Es hat gemeint, die Schuldnerin habe sich zu Recht auf den Einwand der Unmöglichkeit berufen. Es ist davon ausgegangen, dass die Schuldnerin die behauptete unternehmerische Entscheidung tatsächlich getroffen und auch umgesetzt habe. Dem Unmöglichkeitseinwand stünden auch weder der Einwand des Rechtsmissbrauchs noch die Treuwidrigkeit entgegen.
Gegen den ihm am 20.08.2021 zugestellten und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommenen Beschluss hat der Gläubiger am 25.08.2021 sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist im Wesentlichen der Auffassung, die von der Schuld...