Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Zustellung im Nachprüfungsverfahren an beigeordneten Rechtsanwalt nach Mandatsbeendigung. Unterschiedliche Bewertung von Beiordnung und Prozessvollmacht
Leitsatz (amtlich)
Die im Nachprüfungsverfahren des § 120a ZPO erforderliche Zustellung kann an den beigeordneten Rechtsanwalt bei einem Wechsel der Person des Bevollmächtigten nicht mehr erfolgen, selbst wenn der neue Bevollmächtigte nicht beigeordnet worden ist.
Normenkette
ZPO § 120a Abs. 1 S. 3, §§ 172, 81; RPflG § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 06.01.2021; Aktenzeichen 2 Ca 972/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 6. Januar 2021 (2 Ca 972/21) aufgehoben.
Es verbleibt bei der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 25. April 2019 in Verbindungmit dem Beschluss vom 13. Mai 2019 bewilligten Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der ihr bewilligten Prozesskostenhilfe wegen ihrer unterbliebenen Mitwirkung im Nachprüfungsverfahren.
Der Klägerin wurde durch die Beschlüsse des Arbeitsgerichts vom 25. April 2019 und 13. Mai 2019 Prozesskostenhilfe für ihre Klage und Verteidigung gegen die Widerklage des Beklagten ohne Zahlungsanordnung bewilligt. Zur Wahrnehmung ihrer Rechte im ersten Rechtszug wurde ihr Rechtsanwalt A aus C beigeordnet.
Mit dem am 14. Mai 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz zeigte Rechtsanwalt B aus D die Vertretung der Klägerin an. Rechtsanwalt A teilte mit Schriftsatz vom 20. Mai 2019 mit, dass die Klägerin einen Wechsel in ihrer Vertretung wünsche. Er lege das Mandat nieder und stelle klar, dass ein Verzicht auf die Rechte aus der bewilligten Prozesskostenhilfe und seiner Beiordnung damit nicht verbunden sei. Die von Rechtsanwalt B beantragte Beiordnung erfolgte nicht, nachdem das Gericht darauf hingewiesen hatte, dass ausreichend gewichtige Gründe für die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts nicht dargelegt worden seien. Im Kammertermin nahmen beide von ihren (nunmehr) bevollmächtigten Rechtsanwälten vertretenen Parteien ihre jeweiligen Klagen zurück, die Klägerin ausdrücklich "hinsichtlich aller Anträge".
Unter dem 1. September 2020 forderte das Arbeitsgericht die Klägerin durch das ihrem beigeordneten Rechtsanwalt A am selben Tag zugestellte Schreiben auf, eine Erklärung über eine Änderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen binnen vier Wochen zu übersenden. Trotz der unter dem 6. Oktober 2020 diesem zugesandten Erinnerung erfolgte keine Reaktion der Klägerin. Daraufhin hob das Arbeitsgericht durch die hier angefochtene Entscheidung die bewilligte Prozesskostenhilfe auf. Der Beschluss wurde nunmehr dem - auch im Rubrum aufgeführten - Rechtsanwalt B am 11. Februar 2021 mit Zustellungsurkunde zugestellt, nachdem dieser das Empfangsbekenntnis trotz zweimaliger Aufforderung nicht zurückgeschickt hatte. Laut dessen Schreiben vom 12. April 2021 hat er unter Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Schreiben vom 25. Januar 2021 mitgeteilt, dass der Beschluss vom 6. Januar 2021 am 6. Februar 2021 zugestellt worden ist.
Die am 18. Februar 2021 von diesem für die Klägerin eingelegte sofortige Beschwerde wurde nicht begründet, weshalb das Arbeitsgericht ihr nicht abgeholfen und sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist unwirksam, weil vor seinem Erlass das Nachprüfungsverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet wurde. Dies führte zur Aufhebung der Entscheidung.
1. Die Aufforderung des Arbeitsgerichts vom 1. September 2020 an die Klägerin, sich über eine Änderung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse unter Verwendung des amtlichen Vordrucks gemäß § 120a ZPO binnen vier Wochen zu erklären, wurde ihrem Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt B, nicht zugestellt. Eine solche Zustellung ist für die ordnungsgemäße Einleitung des Nachprüfungsverfahren zwingend erforderlich (vgl. grundsätzlich zur Zustellung an Prozessbevollmächtigte LAG Hamm 5. Juli 2013 - 5 Ta 254/13 - Rn. 8 ff.; 20. September 2013 - 14 Ta 160/13 - Rn. 5 ff., jeweils m. w. N.).
2. Es ist unerheblich, dass es sich bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht um den durch den Bewilligungsbeschluss beigeordneten Rechtsanwalt handelt. Bei einem wie hier seitens der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, gewillkürten Wechsel der Person des Bevollmächtigten im laufenden Verfahren ist dessen Prozessvollmacht, nicht aber die Beiordnung maßgeblich für die Bestimmung des anwaltlichen Vertreters, an den die Zustellung zu erfolgen hat. Eine Zustellung an den beigeordneten Rechtsanwalt kann im Nachprüfungsverfahren nicht mehr erfolgen, wenn dieser nicht mehr Prozessbevollmächtigter i...