Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltsgebühren bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich
Leitsatz (amtlich)
Erfolgt eine Beiordnung der Prozessbevollmächtigten im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches auch für den Mehrvergleich, so umfassen die der Prozessbevollmächtigten zu erstattenden Gebühren sämtliche im Zusammenhang mit einem Mehrvergleich ausgelösten Gebühren.
Hierzu gehören auch die Differenzverfahrensgebühr sowie die Differenzterminsgebühr, soweit die Voraussetzungen für deren Entstehen im Übrigen gegeben sind.
Normenkette
RVG § 45 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1; ArbGG § 11a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 21.05.2019; Aktenzeichen 6 Ca 777/19) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 21.06.2019 gegen den Prozesskostenhilfe-Bewilligungsbeschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 21.05.2019 - 6 Ca 777/19 - wird der Beschluss abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu formuliert:
Der Klägerin wird mit Wirkung vom 04.03.2019 Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwältin S bewilligt mit Ausnahme der Zwangsvollstreckung unter Einschluss der Differenzgebühren für den Vergleichsmehrwert aus dem gerichtlichen Vergleich vom 18.03.2019.
Die Beiordnung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Klägerin derzeit keinen eigenen Beitrag aus ihrem Einkommen zu leisten hat.
Gründe
I. Die Klägerin hatte unter dem 01.03.2019 eine Kündigungsschutzklage erhoben und bereits hier die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten auch für den Fall eines Mehrvergleiches über nicht anhängige Streitgegenstände unter Erstreckung der Beiordnung auch auf die Differenzverfahrensgebühr, die Terminsgebühr sowie die Einigungsgebühr.
Am 18.03.2019 schlossen die Parteien einen Vergleich, der neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die konkrete Abrechnung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sowie nachwirkende Verpflichtungen der Klägerin und einen Zeugniserteilungsanspruch regelte.
Für das Verfahren wurde ein Streitwert von 6.900,00 € mitgeteilt, der Streitwert für den Vergleich mit 62.300,00 €.
Mit Schreiben vom 03.04.2019 wies das Arbeitsgericht darauf hin, dass beabsichtigt sei, für das Verfahren und den Vergleich Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wobei hierdurch nur die Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert abgedeckt werde. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben (Bl. 22/22R PKH-Akte) Bezug genommen.
Nachdem eine Stellungnahme nicht einging, erging unter dem 21.05.2019 der entsprechende Beschluss. Gegen diesen am 22.05.2019 zugestellten Beschluss wurde mit dem am 21.06.2019 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2018 (BGH, Beschluss vom 17.01.2018, XII ZB 248/16, juris) vertritt die Klägerin die Auffassung, die Beiordnung im Rahmen eines Mehrvergleiches müsse für alle Gebührentatbestände erfolgen.
II. Die gem. § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 11a Abs. 1, 78 ArbGG und §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff ZPO an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet.
1. Die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten für den geschlossenen Mehrvergleich ist ohne Einschränkungen auf einzelne Gebührentatbestände vorzunehmen. Einer ausdrücklichen Tenorierung hierzu bedarf es im Beschluss nicht. Aus der Beiordnung der Prozessbevollmächtigten auch für den Mehrvergleich ergibt sich bereits, dass dieser hierfür alle aus der Prozesshandlung erwachsenden Gebührentatbestände zustehen.
a) Die Rechtsfrage, ob sich bei einer Einbeziehung bisher nicht anhängiger Streitgegenstände in einen Vergleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich lediglich auf die entstehende Einigungsgebühr beziehe oder die Bewilligung damit für alle anfallenden Gebühren bis zur Höhe der Differenzverfahrens- und Differenzterminsgebühr erfolgt (wegen des rechtlichen Streitstandes in der Rechtsprechung siehe nur ausführlich BGH, Beschluss vom 17.01.2018, XII ZB 248/16, BeckRS 2018, 1191 Rz. 13 - 15) wurde unterschiedlich entschieden.
Durch den Beschluss vom 17.01.2018 (wie vor) hat der BGH nunmehr die Rechtsauffassung bestätigt, wonach der unbemittelte Verfahrensbeteiligte einen Anspruch auf Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten auf sämtliche im Zusammenhang mit einem Mehrvergleich ausgelöste Gebühren hat, sei es im Wege der Auslegung des Beschlusses oder durch ausdrückliche Beschlussfassung.
Hierzu hat er ausgeführt:
Diese durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit wäre nicht gewahrt, wenn trotz der Erweiterung der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf den Abschluss des Mehrvergleichs die dem beigeordneten Rechtsanwalt durch die Vornahme dieser Verfahrenshandlung nach den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erwachsenden Gebühren teilweise nicht von der Staatskasse getragen würden und im Übrigen die Vergütungspflicht des...