Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Unvollständigkeit des Antrags bei Einreichung einer vom Antragsteller nicht unterzeichneten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Hinweispflicht des Gerichtes. Nachholung der fehlenden Unterzeichnung nach Beendigung der Instanz bzw. des Rechtsstreits

 

Leitsatz (amtlich)

Wird von dem Antragsteller vor Verfahrensbeendigung bzw. Instanzende eine nicht von ihm unterzeichnete Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftliche Verhältnisse im Rahmen der Antragstellung eingereicht, so ist das Arbeitsgericht nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO verpflichtet, den Antragsteller auf die fehlende Unterzeichnung hinzuweisen und ihm eine Frist zur Behebung des Fehlers zu setzen. Versäumt das Gericht diesen Hinweis, so darf dem Antragsteller kein Nachteil entstehen. In einem solchen Fall kann die fehlende Unterzeichnung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch nach Abschluss des Verfahrens bzw. Instanzende noch nachgeholt werden.

 

Normenkette

ZPO § 114 ff., § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 S. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Beschluss vom 01.08.2007; Aktenzeichen 4 Ca 1464/07)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der PKH-Ablehnungsbeschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 01.08.2007 – 4 Ca 1464/07 – aufgehoben.

Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt mit Wirkung vom 19.06.2007. Zur Wahrnehmung der Rechte wird ihm Rechtsanwalt A1 beigeordnet.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten braucht.

 

Tatbestand

I. Der Kläger hat am 19.06.2007 bei dem Arbeitsgericht Bochum die Bestandsklage 4 Ca 1464/07 erhoben und gleichzeitig beantragt, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Dem Antrag war beigefügt eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ohne Datum und Unterschrift. Als weitere Anlage wurde eingereicht der Änderungsbescheid der ARGE B2 vom 31.05.2007 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Unterhalts. Der Antrag wurde dem Vorsitzenden nach Überprüfung durch den Rechtspfleger am 27.06.2007 vorgelegt.

In der mündlichen Verhandlung am 04.07.2007 überreichte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Schriftsatz vom 04.07.2007. Der Rechtsstreit endete durch gerichtlichen Vergleich vom 04.07.2007.

Mit Schreiben vom 11.07.2007 teilte das Arbeitsgericht dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Folgendes mit:

Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

wie bereits am Rande des Gütetermins mitgeteilt, liegt eine vom Kläger unterschriebene Formularerklärung zum Prozesskostenhilfeantrag nicht vor. Ein wirksamer Antrag wurde somit während des gesamten Verfahrens nicht gestellt.

Es wird angeregt, den Prozesskostenhilfeantrag zurückzunehmen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers überreichte daraufhin am 12.07.2007 eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vom 06.07.2007 unter Beifügung des Bescheides der ARGE B2 vom 22.06.2007.

Durch Beschluss vom 01.08.2007 hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers zurückgewiesen mit der Begründung, bei Beendigung des Hauptverfahrens habe eine unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegen.

Gegen diesen ihm am 02.08.2007 zu Händen seines Prozessbevollmächtigten zugestellten Beschluss hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 07.08.2007 sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Arbeitsgericht hat durch Beschluss vom 07.08.2007 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 ArbGG, §§ 127 Abs. 2, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen des Antragstellers besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt.

2. Der Antrag muss vollständig sein. Vollständig ist die PKH-Antragstellung, wenn sie § 117 Abs. 2 ZPO entspricht, mit anderen Worten, es muss die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck abgegeben und es müssen alle „entsprechenden Belege” eingereicht sein. Das Arbeitsgericht kann selbst „Erhebungen anstellen” und ist deshalb auch verpflichtet, von sich aus auf die Nachreichung fehlender Belege hinzuwirken. Das in § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO vorgeschriebene Verfahren betrifft nach dem Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich die Glaubhaftmachung von Angaben über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Antrag...

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