Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. außerordentlich. Betriebsratsmitglied. Pornografie. Verbreitung. Datei. Erotik

 

Leitsatz (redaktionell)

Versendet ein Betriebsratsmitglied über mehrere Monate immer wieder vom PC des Betriebsrats unzulässigerweise E-Mails mit Dateien erotischen Inhalts an 10 bis 13 Arbeitnehmer, ist eine außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn keine feststellbaren negativen Folgen für den Arbeitgeber dadurch eingetreten sind.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Beschluss vom 18.02.2010; Aktenzeichen 4 BV 21/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 18.02.2010 – 4 BV 21/09 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Arbeitgeberin begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden B4 (Beteiligter zu 3).

Der am 28.02.1953 geborene Beteiligte B4, der einen Grad der Behinderung von 50 % aufweist, ist seit dem 03.05.1984 für die Arbeitgeberin, in deren Betrieb ca. 110 Arbeitnehmer beschäftigt sind, als Monteur zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 2.281,47 EUR tätig.

Zumindest in der Zeit vom 27.05. bis zum 25.08.2009 verschickte er vor Beginn seiner Arbeitszeit um 6.00 Uhr von dem PC, der dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt worden ist, an 10 bis 13 Arbeitnehmer insgesamt mindestens 59 E-Mails. Diesen waren Bild- bzw. Videodateien mit – in jedem Fall – erotischem Inhalt beigefügt. Die Dateien hatte der Beteiligte B4 mittels eines USB-Sticks von zu Hause mitgebracht.

Zur Nutzung der EDV gibt es im Betrieb eine Erklärung des IT-Beauftragten, dass sämtliche Fremdsoftware nur durch die IT-Abteilung aufgespielt werden soll. Schaltet ein Mitarbeiter den PC ein, erscheint der Hinweis, dass eine Privatnutzung untersagt ist.

Am 25. und 28.08.2009 wurde der Beteiligte B4 in zwei Personalgesprächen mit dem Sachverhalt konfrontiert, den er sofort einräumte.

Mit Schreiben vom 02.09.2009 beantragte die Arbeitgeberin beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die mit Schreiben vom 03.09.2009 versagt wurde. Hinsichtlich des näheren Inhalts beider Schreiben wird auf die mit Antragschriftsatz vom 07.09.2009 eingereichten Kopien (Bl. 4 f., 9) verwiesen.

Am 16.09.2009 erteilte das zuständige LWL-Integrationsamt Westfalen die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung (Bl. 33 d. A.).

Die Arbeitgeberin hat behauptet, zumindest in 13 Fällen hätten die versandten Dateien einen – strafbaren – pornografischen Inhalt gehabt. Im Übrigen müsse davon ausgegangen werden, dass die Empfänger der E-Mails, die teilweise mit „Euer Betriebsrat” unterzeichnet gewesen seien, diese während der Arbeitszeit angesehen hätten, was zu einem Arbeitsausfall von 21 Stunden geführt hätte. Schließlich stelle das Herunterladen entsprechender Dateien von externen Servern eine erhebliche Gefahrenquelle dar; die Rückverfolgung der IP-Nr. könne zu einer Rufschädigung führen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Zustimmung des Antragsgegners zur außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden G1 B4 zu ersetzen.

Der Betriebsrat und der Beteiligte B4 haben beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie haben behauptet, die Dateien hätten keinen pornograftischen Inhalt gehabt; es habe sich vielmehr auf dem Niveau dessen bewegt, was das Privatfernsehen zeige.

Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass – unstreitig – alle Dateien sofort gelöscht worden seien und er, der Beteiligte B4, sich sowohl in einer Betriebsversammlung als auch anlässlich einer Betriebsratssitzung in Anwesenheit von Arbeitgebervertretern für sein Fehlverhalten entschuldigt habe.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 18.02.2010 den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beteiligte B4 zwar gegen das Verbot der privaten Nutzung des firmeninternen E-Mail-Systems verstoßen habe. Die darin liegende Pflichtverletzung sei jedoch – gerade auch angesichts des nachträglichen einsichtigen Verhaltens des Arbeitnehmers – nicht so schwerwiegend, um eine Abmahnung entbehrlich zu machen. Ein nach § 184 StGB strafbares Verhalten liege nicht vor. Es bestehe auch nicht die Gefahr einer Rufschädigung durch Rückverfolgung von IP-Adressen. Das Entstehen zusätzlicher Kosten sei ebenso wenig dargelegt worden wie ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistungen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Arbeitgeberin mit ihrer Beschwerde.

Sie ist der Auffassung, mehrere E-Mail-Anhänge wiesen eindeutig einen pornografischen Inhalt auf. Insoweit wird Bezug genommen auf die Ausführungen im arbeitgeberseitigen Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 05.05.2010, S. 3 (Bl. 146 d. A.).

Wegen der Gesamtdatenmenge von 183 MB sei ein nachhaltiges Risiko in Bezug auf die Infizierung des EDV-Systems u.a. mit Viren und Trojanern eröffnet worden.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung hätten die E...

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