Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterlassungsantrag des Betriebsrats. Feststellungsantrag. Zuständigkeit der Einigungsstelle. Betriebsänderung. Personaleinschränkung. Planung Aufhebungsverträge. befristete Arbeitsverträge. Verlängerung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Frage der Zuständigkeit der Einigungsstelle kann in jedem Verfahrensstand, sowohl vor der Errichtung der Einigungsstelle, während eines Bestellungsverfahrens, während des Verfahrens vor der Einigungsstelle aber auch noch nach Beendigung des Bestellungsverfahrens zur arbeitsgerichtlichen Entscheidung gestellt werden.

2. Betriebsverfassungsrechtliche Pflichten des Arbeitgebers nach den §§ 111, 112 BetrVG werden erst durch konkrete Planungen über eine Betriebsänderung ausgelöst. Insbesondere Verhandlungen über einen Interessenausgleich setzen eine hinreichend bestimmte, in Einzelheiten bereits absehbare Maßnahme voraus, deren Durchführung der Arbeitgeber konkret anstrebt.

3. Bei der Überprüfung, ob eine erhebliche Personaleinschränkung i.S.v. § 111 S. 1 BetrVG vorliegt, sind nur solche Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die aus betriebsbedingten Gründen aus dem Betrieb ausscheiden. Diejenigen Arbeitnehmer, die aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen entlassen werden oder deren Arbeitsverhältnis infolge Fristablaufs endet, bleiben außer Betracht

 

Normenkette

BetrVG §§ 76, 111

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Beschluss vom 18.11.2009; Aktenzeichen 3 BV 31/09)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 18.11.2009 – 3 BV 31/09 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch um die Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über einen Interessenausgleich sowie um die Zuständigkeit der Einigungsstelle für die Aufstellung eines Sozialplans.

Die Arbeitgeberin, ein Unternehmen für Industriereinigung, betreibt mehrere Niederlassungen mit weit über 300 Arbeitnehmern. In der Niederlassung in G1 werden etwa 62 Arbeitnehmer beschäftigt. Dort ist der antragstellende Betriebsrat, der aus fünf Personen besteht, gewählt.

Im August, spätestens Anfang September 2009 bot die Arbeitgeberin zunächst fünf Mitarbeitern der Niederlassung G1, den Mitarbeitern O2, S12, Ö1, S13 und S14, den Abschluss von Aufhebungsverträgen an. Mit Schreiben vom 03.09.2009 (Bl. 5 d. A.) wies der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats die Arbeitgeberin darauf hin, dass die Entlassung einer derartigen Zahl von Mitarbeitern eine interessenausgleich- und sozialplanpflichtige Betriebsänderung darstelle; gleichzeitig forderte er die Arbeitgeberin unter Fristsetzung bis zum 04.09.2009 auf, zukünftig keine Vorschläge für Aufhebungsverträge mit Mitarbeitern mehr zu machen.

Auf dieses Schreiben reagierte die Arbeitgeberin nicht.

Am 15.09.2009 sprach die Personalleiterin der Niederlassung G1 weitere fünf Mitarbeiter auf den Abschluss eines Aufhebungsvertrages an und bot jeweils eine Abfindung von 1.000,00 EUR pro Beschäftigungsjahr an.

Mit dem am 10.09.2009 beim Arbeitsgericht eingeleiteten vorliegenden Beschlussverfahren machte der Betriebsrat der Niederlassung G1 daraufhin die Unterlassung einer Betriebsänderung bis zum Abschluss der Verhandlungen über ein Interessenausgleich sowie die Beachtung von Beteiligungsrechten nach § 92 BetrVG geltend.

Gleichzeitig forderte der Betriebsrat in einem weiteren beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren – 3 BV 32/09 Arbeitsgericht Gelsenkirchen – die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Ferner beantragte der Betriebsrat am 21.09.2009 den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Arbeitgeberin der Abbau von Arbeitsplätzen, die Ankündigung von Kündigungen und die Anregung von Aufhebungsverträgen untersagt werden sollte – 3 BVGa 2/09 Arbeitsgericht Gelsenkirchen –.

Im September 2009 verhandelte die Arbeitgeberin mit der zuständigen Gewerkschaft über einen Sanierungsvertrag. Diese Verhandlungen wurden am 29.09.2009 für gescheitert erklärt.

Im Anhörungstermin vom 30.09.2009 beim Arbeitsgericht im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung – 3 BVGa 2/09 Arbeitsgericht Gelsenkirchen – versicherte der Geschäftsführer der Arbeitgeberin an Eides Statt, dass es zutreffend sei, dass 10 Mitarbeitern unter Fristsetzung bis zum 30.09.2009 ein Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages unter Zahlung einer Abfindung gemacht worden sei; die Arbeitgeberin habe aber lediglich beabsichtigt, allenfalls zwei bis drei Aufhebungsverträge abzuschließen; andernfalls müssten Fahrzeuge stillgelegt werden, da man dann nicht mehr genug Personal habe; darüber hinaus seien keine weiteren konkreten Entlassungen geplant.

In der Folgezeit kam es zunächst nicht zu dem einvernehmlichen Abschluss von Aufhebungsverträgen zwischen der Arbeitgeberin und den von ihr angesprochenen Mitarbeitern.

Durch Beschluss vom 30.09.2009 hat das Arbeitsgericht im Einigungsstellenbesetzungsverfahren – 3 BV 32/09 Arbeitsgericht Gelsenkir...

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