Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil, da der Prozessbevollmächtigte den Einspruch nicht über das beA übermittelt hat
Leitsatz (amtlich)
1. Die elektronische Einreichungspflicht nach § 46g ArbGG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. § 46gS. 3 ArbGG sieht eine Ausnahme von der elektronischen Einreichungspflicht für den Fall vor, dass eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, nicht jedoch bei subjektivem Unvermögen des Prozessbevollmächtigten.
3. Rechtsanwälte sind nicht nur nach § 31a Abs. 6 BRAO verpflichtet, die für die Nutzung des beA erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten, vielmehr müssen sie sich auch die Kenntnisse zur Nutzung dieser technischen Einrichtungen aneignen, damit sie die zugestellten Dokumente auch zur Kenntnis nehmen und Schriftsätze im Notfall auch ohne das Sekretariat fristwahrend versenden können. Der Anwalt verletzt seine Sorgfaltspflicht, wenn er sich mit dieser Anwendung nicht hinreichend auseinandersetzt und blind auf das Funktionieren seines Sekretariats vertraut.
Normenkette
ArbGG § 46g; ZPO §§ 233, 339
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 05.09.2022; Aktenzeichen 18 Sa 909-22) |
Tenor
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten nur noch über die Kosten des Rechtsstreits.
Die Parteien haben erstinstanzlich über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gestritten. Mit Schreiben vom 01.04.2022, dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 29.04.2022. Am 19.04.2022 ging bei dem Arbeitsgericht Iserlohn die Kündigungsschutzklage des Klägers ein. Im Kammertermin vom 03.08.2022 erging ein Versäumnisurteil, das dem Beklagtenvertreter am 04.08.2022 übersandt wurde. Das Gericht erinnerte den Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 12.08.2022 und 18.08.2022 an die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses. Ausweislich des am 31.08.2022 nachgereichten Empfangsbekenntnisses wurde das Versäumnisurteil dem Beklagtenvertreter erst am 12.08.2022 zugestellt. Dazu trägt der Beklagtenvertreter vor, das Empfangsbekenntnis sei zwischenzeitlich verloren gegangen und habe somit nicht zusammen mit dem Einspruch versandt werden können.
Der Beklagtenvertreter legte mit Schriftsatz vom 19.08.2022 Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 03.08.2022 ein. Dazu erklärte er wörtlich: "In dem Arbeitsrechtsstreit B gegen A - 3 Ca 623/22 lege ich gegen das Versäumnisurteil vom 03.08.2022, übermittelt per Fax vom 04.08.2022, zugegangen beim Unterzeichner am 05.08.2022 - das ursprünglich fehlende Empfangsbekenntnis wird nachgereicht - hiermit Einspruch ein." Den Schriftsatz vom 19.08.2022 übermittelte der Beklagtenvertreter am gleichen Tag um 13:20 Uhr per Fax an das Gericht.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 23.08.2022 wurde der Beklagtenvertreter darauf hingewiesen, dass die Einspruchsfrist bei einer Zustellung am 05.08.2022 bereits abgelaufen sei und entsprechend § 46g S. 1 ArbGG vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln sind. Es wurde außerdem darauf hingewiesen, dass die Übermittlung gemäß § 46g S. 3, 4 ArbGG nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, wobei die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen ist und auf Anforderung ein elektronisches Dokument nachzureichen ist.
Mit Schriftsatz vom 25.08.2022 hat der Beklagtenvertreter vorgetragen, dass das Versäumnisurteil vom 03.08.2022, am 04.08.2022 übermittelt worden und zunächst von der Mitarbeiterin C. mit allen Posteingängen des Beklagtenvertreters und des D. bearbeitet worden sei. Die Mitarbeiterin habe dazu die Einspruchsfrist aus der Rechtsbehelfsbelehrung notiert. Die Vorlage des Versäumnisurteils sei bereits am 05.08.2022 erfolgt. Dies sei in der Weise geschehen, dass die Mitarbeiterin das Versäumnisurteil in Form der Papierakte und das Empfangsbekenntnis an einer speziell dafür vorgesehenen Stelle im Arbeitszimmer des Beklagtenvertreters abgelegt habe. Anschließend habe das Versäumnisurteil nebst Empfangsbekenntnis seit dem 05.08.2022 bei den eiligen Posteingängen gelegen. Angesichts der Arbeitsüberlastung sei es jedoch bis zur tatsächlichen Kenntnisnahme am 12.08.2022 dort liegen geblieben. Erst als das Arbeitsgericht an die Rücksendung des Empfangsbekenntnisses erinnerte, sei die Akte gesucht worden. - Die Einlegung des Einspruchs per Fax am 19.08.2022 hat der Beklagtenvertreter damit begründet, dass das Sekretariat der Kanzlei aufgrund eines Krankheitsfalls seit dem 16.08.2022 überlastet gewesen und ausschließlich von einer Mitarbeiterin geführt worden sei. Da diese Mitarbeiterin am 19.08....