Entscheidungsstichwort (Thema)
Schulung. Betriebsratsvorsitzender. Rhetorik. Erforderlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
Die Teilnahme an einer Rhetorikschulung ist im Einzelfall erforderlich, sofern die konkreten Verhältnisse so gelagert sind, dass der Betriebsrat seine gesetzlichen Aufgaben nur dann sachgerecht erfüllen kann, wenn die rhetorischen Fähigkeiten bestimmter Betriebsratsmitglieder, namentlich des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters, durch eine einschlägige Schulung verbessert werden.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 6 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Beschluss vom 22.08.2008; Aktenzeichen 3 BV 8/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 22.08.2008 – 3 BV 8/08 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:
Es wird festgestellt, dass die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden K1 an einer einwöchigen Schulungsveranstaltung „Rhetorik für Betriebsräte – Teil 1”, ausgerichtet von der Akademie für Arbeits- und Sozialrecht R1-W2 GmbH, H6, erforderlich ist.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten darum, ob die Teilnahme des Betriebsratsvorsitzenden an einem einwöchigen Rhetorikseminar erforderlich ist.
Im Bereich der Unternehmensgruppe A1 N1 mit derzeit insgesamt 35 Regionalgesellschaften betreibt die Arbeitgeberin in B2 L1 eine Regionalgesellschaft mit Lager, Fuhrpark und Verwaltung, der derzeit 75 Filialen zugeordnet sind. Insgesamt werden dort ca. 900 Arbeitnehmer beschäftigt; es besteht ein Betriebsrat (Antragsteller zu 2).
Der Betriebsratsvorsitzende K1 (Antragsteller zu 1), ein gelernter Koch, der seit dem 06.03.1989 bei der Arbeitgeberin als Kraftfahrer fungiert, war zunächst von Oktober 1998 bis April 2002 Betriebsratsmitglied. Nach einer vierjährigen Unterbrechung gehört er seit der Wahl im April 2006 wieder dem 13köpfigen Betriebsrat an und ist seit der Zeit freigestellter Betriebsratsvorsitzender. In dieser Funktion leitet er regelmäßig Betriebsrats- sowie Betriebsausschuss-Sitzungen und die jährlich stattfindenden Betriebsversammlungen mit 350-400 teilnehmenden Arbeitnehmern.
Auf einer ersten Sitzung am 12.12.2007 und erneut am 06.02.2008 fasste der Betriebsrat den Beschluss, seinen Vorsitzenden zu einer vom 26. bis zum 30.05.2008 stattfindenden Schulung „Rhetorik für Betriebsräte – Teil 1”, ausgerichtet von der Akademie für Arbeits- und Sozialrecht R1-W2 GmbH, zu entsenden.
Weil die Arbeitgeberin sich weigerte, die Kosten zu übernehmen, wurde mit Schriftsatz vom 26.03.2008 das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet, zunächst gerichtet auf die Freistellung von den zu erwartenden Kosten. Wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs gingen die Antragsteller mit Schriftsatz vom 03.07.2008 dazu über, im Hauptantrag allgemein u.a. die Freistellung von den Kosten des genannten Rhetorikseminars zu begehren und hilfsweise die Freistellung von den Kosten der Veranstaltung vom 17.-21.11.2008. Hieran nahm der Betriebsratsvorsitzende aber ebenso wenig teil wie an der Veranstaltung vom 20.-24.04.2009.
Das Schulungsprogramm hat folgenden Inhalt:
„Reden und Argumentieren in Sitzungen, Beratungen und Versammlungen …
I. Grundlagen
Grundlagen der Kommunikationspsychologie
Grundlagen des freien und wirksamen Redens und Argumentierens
Abbau von Redehemmungen
Körpersprachliche Signale
Umgang mit und Abbau von Nervosität
Freies Formulieren von Gedanken
Aufbau und Wirkung von Argumenten
Auseinandersetzung mit Gegenargumenten der Gesprächspartner
Effektive Fragetechniken
Umgang mit überraschenden Situationen
Argumentationskonzepte in typischen Gesprächssituationen
II. Beratung von Kolleginnen und Kollegen als Aufgabe des Betriebsrats
Schaffung eines vertrauensvollen Gesprächsklimas
Was will mein Gegenüber?
Der richtige Einstieg ins Gespräch
Gesprächsverlauf und Gesprächsende
Abbau von Hemmungen beim Ratsuchenden
III. Überzeugendes Auftreten vor Publikum
Die Rede auf der Betriebsversammlung
Grundlagen für Reden und Vorträge
Vorbereitung der Redebeiträge
Reden mit Hilfe eines Stichwortkonzeptes
Gliederung einer Überzeugungsrede
Aufbau einer Präsentation
Aufbau eines Rechenschaftsberichts
Der Anfangs- und der Schlusssatz
Gestik, Mimik, Stimme
Gewinnen von Selbstsicherheit
Einsatz visueller Hilfsmittel
Umgang mit „Störern”
IV. Grundlagen der erfolgreichen Diskussion
V. Videounterstützte Praxisübungen
Individuelle Auswertung der Videoaufzeichnung
Persönliches Feedback”
Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, es sei erforderlich, dass der Betriebsratsvorsitzende an der Wochenschulung teilnehme. In der Vergangenheit sei er den rhetorischen Fähigkeiten des seit ca. 15 Jahren fungierenden Personalleiters nicht gewachsen gewesen, um der Belegschaft die Notwendigkeit der Betriebsratstätigkeit in einer Art und Weise zu vermitteln, wie dies die Sachlage erfordere. Dies habe sich u.a. anlässlich der Betriebsversammlung am 22.09.2007 gezeigt, in der der Personalleiter übe...