Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkludenter Antrag auf Prozesskostenhilfe im Rahmen des Vergleichsschlusses nach § 286 Abs. 6 ZPO. Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs
Leitsatz (amtlich)
Zwar ist nach der auf den ursprünglich gestellten Antrag hin erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle des nachfolgenden Abschlusses eines Mehrvergleichs ein neuer Antrag erforderlich. Dieser kann aber von der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, auch konkludent gestellt werden. Ein solcher konkludenter Antrag kann regelmäßig den Erklärungen der Partei im Rahmen des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO im Wege der Auslegung entnommen werden.
Ein konkludenter Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf einen Mehrvergleich liegt noch nicht vor, wenn die Partei vor der Bewilligungsentscheidung mitteilt, dass ein Vergleich beabsichtigt ist, ohne auf einen Mehrvergleich hinzuweisen.
Leitsatz (redaktionell)
Wird Prozesskostenhilfe für den Mehrwert eines Vergleichs beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Abs. 1 ZPO nicht darauf an, ob der Prozesspartei im Falle einer Klage Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt.
Normenkette
ZPO §§ 114, 117, 278 Abs. 6, §§ 115, 139
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 12.12.2022; Aktenzeichen 9 Ca 929-22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12. Dezember 2022 (9 Ca 929/22) abgeändert.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich vom 7. Juni 2022 unter Beiordnung von Rechtsanwältin Kaya aus Dortmund mit der Maßgabe bewilligt, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger erhob unter dem 21. März 2022 eine Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Kündigung vom 28. Februar 2022 verbunden mit einem Antrag auf Weiterbeschäftigung und Verurteilung zur Entfernung einer Abmahnung. Unter dem 27. April 2022 erweiterte er die Klage um Anträge auf Zahlung von Lohn auf den Monat März 2022 und Abrechnung für diesen Monat.
Bereits mit der Klageschrift hatte der Kläger unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Schriftsatz vom 27. April 2022 bat er um deren Gewährung auch für die Klageerweiterung. Unter dem 5. Mai 2022 bat er um kurzfristige Entscheidung über diesen Antrag (vgl. Schriftsatz vom selben Tage, Bl. 29 PKH-Beiheft). Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Parteien im Kürze einen Vergleich schließen, so dass der für den 23. Mai 2022 anberaumte Gütetermin nicht stattfinden werde. Seine Prozessbevollmächtigte hatte telefonisch bereits am Vortag um Bewilligung wegen vielversprechender Vergleichsgespräche gebeten (vgl. Vermerk vom 4. Mai 2022, Bl. 30 PKH-Beiheft).
Durch Beschluss vom 17. Mai 2022 bewilligte das Arbeitsgericht "dem Kläger mit Wirkung vom 14.04.2022 für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe" und ordnete "zur Wahrnehmung der Rechte in dieser Instanz ausschließlich der Zwangsvollstreckung" seine Prozessbevollmächtigte bei.
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2022 (vgl. Bl. 48 ff. d. A.) teilte der Kläger mit, dass die Parteien sich außergerichtlich verständigt hätten, und bat darum, den nachfolgenden Vergleichstext als gerichtlichen Vorschlag zu unterbreiten und gemäß § 278 Abs. 6 ZPO zu verfahren. In dem Vergleich war neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2022, der Zahlung einer Abfindung sowie der ordnungsgemäßen Abrechnung der Monate März und April 2022 noch die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit der Note "Gut" vereinbart, verbunden mit einem Vorschlagsrecht des Klägers und einem auf wichtige Gründe beschränkten Recht der Beklagten zu einer Abweichung von dem Vorschlag. Auf den entsprechenden Vergleichsvorschlag des Gerichts teilte die Beklagte mit, dass dem Vorschlag nur zugestimmt werden könne, wenn dieser um Regelungen zur Urlaubsgewährung und zu einer Ausgleichsklausel ergänzt werde. Nachdem der Kläger hiermit sein Einverständnis unter dem 3. Juni 2022 erklärt hatte, stellte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 7. Juni 2022 (vgl. Bl. 60 f. d. A.) den vorgenannten Vergleich fest.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2022 teilte das Arbeitsgericht außerdem der Klägervertreterin mit, dass es als Streitwert für das Verfahren im Allgemeinen 12.598,20 Euro und für den Vergleich 15.002,20 Euro für angemessen erachte, Letzteren unter Berücksichtigung einer weiteren Monatsvergütung für die Erteilung eines inhaltlich geregelten qualifizierten Endzeugnisses (vgl. Bl. 63 f. d. A.). Auf der Grundlage dieser mitgeteilten Werte beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung von Gebühren und Auslagen. Nachdem es zu einem Schriftwechsel über die Kostenberechnung gekommen war, teilte...