Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Beantragung der ergänzenden Prozesskostenhilfe für einen Mehrvergleich
Leitsatz (amtlich)
Zwar ist nach der auf den ursprünglich gestellten Antrag hin erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle des nachfolgenden Abschlusses eines Mehrvergleichs ein neuer Antrag erforderlich. Dieser kann aber von der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, auch konkludent gestellt werden. Ein solcher konkludenter Antrag kann regelmäßig den Erklärungen der Partei im Rahmen des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO im Wege der Auslegung entnommen werden.
Normenkette
ZPO §§ 114, 117, 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 12.05.2022; Aktenzeichen 3 Ca 33/22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 12. Mai 2022 (3 Ca 33/22) abgeändert.
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich vom 6. Mai 2022 unter Beiordnung von Rechtsanwalt A. aus B mit der Maßgabe bewilligt, dass der Kläger keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 17. Mai 2022 wird für gegenstandslos erklärt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger erhob unter dem 6. Januar 2022 eine Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Kündigung vom 27. Dezember 2021 zum 28. Februar 2022 sowie eine allgemeine Feststellungsklage. Der daraufhin auf den 11. Februar 2022 anberaumte Gütetermin wurde wegen außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen aufgehoben. Unter dem 23. März 2022 beantragte der Kläger unter Beifügung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Noch am selben Tag wurde diese antragsgemäß unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten ohne Zahlungsanordnung bewilligt.
Mit Schriftsatz vom 5. Mai 2022 teilte der Kläger mit, dass die Parteien sich "im Wege der Einigung auf anliegenden Vergleichstext einigen" wollen und bat um Beschlussfassung nach § 278 Abs. 6 ZPO. In dem Vergleich war neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2022, der Freistellung bis zur Beendigung unter Verrechnung mit Urlaub- und Freizeitausgleichsansprüchen, der Zahlung von Vergütung für die Monate März und April 2022 sowie die Erstattung von Reisekosten und der Erteilung der Arbeitsbescheinigung nach § 312 Abs. 1 SGB III noch die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit der Note "Gut" und einer abschließenden vollständigen "Bedauern-Dankes-Wunschformel" vereinbart. Die Beklagte erklärte mit Schriftsatz vom 5. Mai 2022 ihre Zustimmung zu diesem Vergleich. Daraufhin stellte das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 6. Mai 2022 den vorgenannten Vergleich fest.
Mit Schreiben vom 6. Mai 2022 teilte es außerdem dem Klägervertreter mit, dass es als Streitwert für das Verfahren das Vierteljahreseinkommen des Klägers und für den Vergleich zusätzlich ein weiteres Monatseinkommen für die Erteilung eines inhaltlich geregelten qualifizierten Endzeugnisses für angemessen halte. Auf der Grundlage dieser mitgeteilten Werte beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Festsetzung von Gebühren und Auslagen. Mit Schreiben vom 10. Mai 2022 teilte ihm das Arbeitsgericht mit, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 23. März 2022 sich nicht auf den Mehrvergleich erstrecke. Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2022 beantragte der Kläger ausdrücklich, Prozesskostenhilfe auch für den Mehrwert des Vergleichs zu bewilligen. Durch den hier angefochtenen Beschluss vom 12. Mai 2022 wies das Arbeitsgericht diesen Antrag zurück. Einen weiteren Antrag des Klägers, den gerichtlichen Bewilligungsbeschluss zur Prozesskostenhilfe vom 23. März 2022 durch nachträgliche Entscheidung um den Mehrwert des Vergleichs zu ergänzen, wies es durch Beschluss vom 17. Mai 2022 zurück. Der gegen beide Beschlüsse gerichteten sofortigen Beschwerde vom 10. Juni 2022 half das Arbeitsgericht nicht ab.
II. Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ZPO, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 12. Mai 2022 ist auch begründet. Dem Kläger war für den Mehrvergleich vom 6. Mai 2022 ebenfalls Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Der Beschluss vom 17. Mai 2022 betreffend die Ergänzung der ursprünglichen Bewilligung ist dadurch gegenstandslos.
1. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hat der Kläger vor der Feststellung des Vergleichs durch den Beschluss vom 6. Mai 2022 und damit vor Beendigung des Rechtsstreits die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.
a) Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts bedarf es eines erneuten Antrags auf Prozesskostenhilfe, wenn das Arbeitsgericht über einen zuvor gestellten Antrag entschieden hat und durch eine Klageerweiterung, Widerklage oder einen Mehrvergleich ein werterhöhender Streitgegenstand in den Prozess neu eingeführt wird. Stelle eine Partei einen Antrag a...