Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstelle. Zuständigkeit. Offensichtlichkeit. offensichtlich. Betriebsänderung. Rechtsschutzbedürfnis. Verhandlungen. ausreichende vorherige Verhandlungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Fall des § 98 ArbGG kann das Rechtsschutzbedürfnis fraglich sein, wenn die Betriebspartner in einer beteiligungspflichtigen Angelegenheit nicht einmal gem. § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG den Versuch unternommen haben, mit Einigungswillen zu verhandeln, sondern sofort die Einigungsstelle angerufen haben. Damit haben sie sich der gesetzlich vorgegebenen Möglichkeit begeben, auf „einfachem” Weg ohne ein vorgeschaltetes gerichtliches Einigungsstellenbesetzungsverfahren zur Lösung eines betriebsverfassungsrechtlichen Konfliktfalls zu gelangen.

2. Die Einigungsstelle ist offensichtlich unzuständig, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Beteiligungsrecht des (Gesamt)Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 74 Abs. 1 S. 2, § 76

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Beschluss vom 21.04.2010; Aktenzeichen 1 BV 44/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 21.04.2010 – 1 BV 44/10 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten über die Errichtung einer Einigungsstelle.

Die antragstellende Arbeitgeberin, ein in D2 ansässiges Luftfahrtunternehmen, beschäftigt bundesweit rd. 600 Mitarbeiter im Bodenbereich mit Betrieben in D2, D4, N1, M2, F1 und B1.

Mit Schreiben vom 18.01.2010 forderte sie den im Unternehmen bestehenden Gesamtbetriebsrat zur Aufnahme von Interessenausgleichsverhandlungen auf und fügte den Entwurf eines Interessenausgleichs bei, der auszugsweise wie folgt lautet:

  1. „Aufgrund der im Rahmen der Verhandlungen über diesen Interessenausgleich von E1 dargelegten betrieblichen und wirtschaftlichen Gründe wird E1 die jetzt noch im Flugbetrieb befindlichen 17 Flugzeuge des Typs CRJ 200 und 2 Flugzeuge des Typs CRJ 700 beginnend zum Sommerflugplan 2010 innerhalb von 12 Monaten (bis Beginn Sommerflugplan 2011) sukzessive ausflotten, so dass nur noch 15 Flugzeuge des Typs CRJ 900 betrieben werden. Die Operation der 15 verbliebenen Flugzeuge wird ausschließlich ab D4 erfolgen.

    1. Für die Operation von 15 Flugzeugen vom Typ CRJ 900, die ausschließlich in D4 stationiert sind, ist in den jeweiligen Fachbereichen der einzelnen Betriebe eine Anpassung der Organisation erforderlich. Die künftige Organisationsstruktur (Zielstruktur) geht am Boden von einem Einsatz von 302 Beschäftigungsjahren (BJ) aus. Zum 31. Dezember 2009 waren 608 BJ am Boden beschäftigt”.

Die geplante Konzentration des gesamten Personals am Standort D4 beinhaltet die Stilllegung sowie möglicherweise die Verschmelzung bzw. Verlegung der anderen fünf Bodenbetriebe.

Am 22.02. und 12.03.2010 kam es zu ein- bzw. eineinhalbstündigen Verhandlungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat. Dieser sagte dann am 17.03.2010 einen ursprünglich angesetzten weiteren Termin ab.

Statt dessen überreichte er der Arbeitgeberin am 19.03.2010 einen Fragenkatalog, auf den diese antwortete, bevor der Gesamtbetriebsrat am 26.03.2010 replizierte. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die Anlage A 3 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 12.04.2010, wobei im Schwarzdruck der Ausgangsfragenkatalog, im Blaudruck die Antwort der Arbeitgeberin und im Gründruck die Replik des Gesamtbetriebsrates wiedergegeben ist (Bl. 10 ff. d.A.).

Daraufhin erklärte die Arbeitgeberin am 12.04.2010 den Versuch eines Interessenausgleichs für gescheitert und leitete das vorliegende Verfahren ein.

Sie hat die Auffassung vertreten, weitere Verhandlungen außerhalb der Einigungsstelle seien aussichtslos. Namentlich der dokumentierte Schriftverkehr mache deutlich, dass in dem eminent wichtigen Punkt, wie die Technik zukünftig aufgestellt werde, erhebliche Differenzen bestehen würden; man wolle mit 60 Beschäftigungsjahren (BJ) operieren, während der Gesamtbetriebsrat 117 BJ für erforderlich halte. Auch habe dieser zusammengefasst deutlich gemacht, dass er sich keinen Interessenausgleich mit dem Inhalt der Ausflottung von insgesamt 19 Flugzeugen vorstellen könne.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

  1. Herr Vorsitzender Richter am LAG Hamm, P6 B6, wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle für den Versuch eines Interessenausgleichs für das Bodenpersonal der Antragstellerin betreffend die betriebsübergreifende unternehmensweite Betriebsänderung „Flotten- und Personalreduzierung sowie Konzentration des gesamten Bodenpersonals am Standort D4, beinhaltend Stilllegung sämtlicher Bodenbetriebe außer D4 sowie etwaige Verschmelzungen mit oder Verlegung nach D4” bestellt.
  2. Die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer für die im Antrag zu 1) erwähnte Einigungsstelle wird auf drei festgesetzt.

Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er hat die Meinung vertreten, es fehle das Rechtss...

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