Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozessbevollmächtigte, Prozesskostenhilfe, Prozesskostenhilfeverfahren, Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren, Nachprüfungsverfahren, Zustellung. zu denVoraussetzungen der Aufhebungsentscheidung im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren. Erfordernis der förmlichenZustellung. Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO vorgesehene gerichtliche Aufforderung an die Partei, sich darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, muss gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO zugestellt werden (im Anschluss an LAG Hamm, 5. Juli 2013, 5 Ta 254/13, zur Veröffentlichung vorgesehen).

2. Zustellungen im Nachprüfungsverfahren des § 120 Abs. 4 ZPO haben gemäß § 172 Abs. 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen, wenn dieser die Partei bereits im Bewilligungsverfahren vertreten hat (im Anschluss an BGH, 8. Dezember 2010, XII ZB 38/09, MDR 2011, 183; LAG Hamm, 5. Juli 2013, 5 Ta 254/13; entgegen LAG Hamm, 14. Juli 2003, 4 Ta 820/02, LAGReport 2003, 371; 3. September 2004, 4 Ta 575/04, [...]).

3. Für eine Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Nr. 2 ZPO ist es erforderlich, dass der Aufhebungsentscheidung des Arbeitsgericht ein von ihm formal ordnungsgemäß durchgeführtes Verfahren zugrunde liegt. Ist das nicht der Fall, verbleibt es bei der ursprünglichen Bewilligung.

 

Normenkette

ZPO §§ 120, 124, 172 Abs. 1, § 329 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Entscheidung vom 07.01.2013; Aktenzeichen 4 Ca 2269/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 7. Januar 2013 (4 Ca 2269/08) aufgehoben.

Es verbleibt bei der durch Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 2. Dezember 2008 (4 Ca 2269/08) und des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Oktober 2009 (18 Sa 1030/09) bewilligten Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 124 Nr. 2 ZPO wegen unterbliebener Mitwirkung des Beklagten im Nachprüfungsverfahren des § 120 Abs. 4 ZPO.

Dem Beklagten wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 2. August 2008 (4 Ca 2269/08) für die erste Instanz sowie durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. Oktober 2009 (18 Sa 1030/09) für die zweite Instanz Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung bewilligt. Nach ergebnisloser Aufforderung im automationsgestützten Verfahren wurde er mit Schreiben des Arbeitsgerichts vom 27. August 2012 an die Abgabe einer erneuten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bis zum 10. September 2012 erinnert. Eine weitere Erinnerung vom 15.Oktober 2012 enthielt eine Fristsetzung bis zum 31. Oktober 2013. Aufforderung und Erinnerungen wurden dem Beklagten formlos per Post übersandt.

Mit der gegen den Aufhebungsbeschluss vom 7. Januar 2013 erhobenen Beschwerde rügen die Prozessbevollmächtigten des Beklagten u. a., dass die Aufforderung über die Abgabe der Erklärung zu einer Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an sie zu richten sei, weil ansonsten Fristen nicht in Lauf gesetzt würden.

II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten vom 16. Januar 2013 ist begründet. Der Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts ist unwirksam, da vor seinem Erlass eine ordnungsgemäße Beteiligung des Beklagten im Nachprüfungsverfahren des § 120 Abs. 4 ZPO nicht stattgefunden hat. Eine Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO, ob eine Veränderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, wurde den Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht zugestellt. Sie ist im Beschwerdeverfahren nicht nachzuholen, weil die formal ordnungsgemäße Beteiligung vor Erlass des Aufhebungsbeschlusses Voraussetzung für seinen rechtmäßigen Bestand ist.

1. Die nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO vorgesehene gerichtliche Aufforderung an die Partei, sich darüber zu erklären, ob eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist, muss gemäß § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO analog zugestellt werden (ebenso LAG Hamm, 5. Juli 2013, 5 Ta 254/13, zur Veröffentlichung vorgesehen; OLG Brandenburg, 24. Juli 2007, 10 WF 187/07, MDR 2007, 1391).

a) § 329 Abs. 2 Satz 2 ZPO sieht vor, dass eine Entscheidung, die eine Terminsbestimmung enthält oder eine Frist in Lauf setzt, zuzustellen ist. Diese Vorschrift gilt über ihren Wortlaut hinaus sowohl für Beschlüsse als auch Verfügungen, d. h. auch für Fristsetzungsverfügungen (vgl. MüKo-ZPO/Musielak, 4. Auflage, 2013, § 329, Rn. 7, 15; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Auflage, 2006, § 329 Rn. 5, 28; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, 2012, § 329 Rn. 27, 44, 47). Unter "Frist" sind dabei sog. echte oder eigentliche Frist...

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