Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen Zahlungsverzuges mit den festgesetzten Raten
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine nach Ablauf der Beschwerdefrist eingelegte sofortige Beschwerde ist gleichzeitig als Wiedereinsetzungsantrag auszulegen.
2. Es gereicht einem Rechtsuchenden zum Verschulden, wenn er in Erwartung eines bevorstehenden Strafantritts seine Wohnung nur noch sporadisch aufsucht und ihm daher Posteingänge nicht oder verspätet zur Kenntnis gelangen.
Normenkette
ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 5, § 127 Abs. 2 S. 3, §§ 567, 233, 236 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 17.12.2021; Aktenzeichen 1 Ca 1248/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Münster vom 17.12.2021 - 1 Ca 1248/20 - wird unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Dem Kläger war unter dem 30.10.2020 Prozesskostenhilfe bewilligt worden und die Zahlung von Raten in Höhe von 173,00 € angeordnet worden. Der am 02.11.2020 zugestellte Beschluss wurde bestandskräftig. Mit Zahlungsplan vom 20.07.2021 wurde sodann eine Zahlungspflicht für die Raten beginnend mit dem 02.08.2021 festgesetzt. Die Ratenzahlung wurde seitens des Klägers nicht aufgenommen.
Mit Schreiben vom 12.11.2021, zugestellt am 15.11.2021, wurde der Kläger auf die Zahlungsrückstände und die bei Nichtzahlung erfolgende Aufhebung der Prozesskostenhilfe hingewiesen. Nachdem weder eine Stellungnahme noch ein Zahlungseingang verzeichnet werden konnten, hob das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 17.12.2021 die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf.
Gegen den am 21.12.2021 zugestellten Beschluss wandte sich der Kläger mit der am 25.01.2022 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der er geltend machte, dass er derzeit inhaftiert sei und daher nicht in der Lage gewesen sei, sich bei dem Gericht zu melden.
Das Arbeitsgericht teilte mit Schreiben vom 27.01.2022 mit, die Beschwerdefrist sei abgelaufen und daher könne nichts mehr veranlasst werden. Der Sachverhalt wurde der Beschwerdekammer vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschuss des Arbeitsgerichtes ist unzulässig nach den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff ZPO, da die einmonatige Notfrist gem. § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht gewahrt ist.
a) Nach § 127 Abs. 2 Satz 3 iVm. § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die sofortige Beschwerde im Prozesskostenhilfeverfahren binnen eines Monats einzulegen. Diese Frist beginnt nicht mit der Zustellung bei dem Antragsteller, sondern mit der Zustellung an den im Prozesskostenhilfeverfahren bestellten Prozessbevollmächtigten.
Nach § 172 Abs. 1 ZPO hat die Zustellung an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten zu erfolgen, um wirksam zu sein. Diese Regelung findet sich in Titel 2 des 1. Buches der ZPO "Allgemeine Vorschriften" und gilt damit für alle Zustellungen nach der ZPO und somit auch im Prozesskostenhilfeverfahren, das seinerseits in §§ 114 ff. ZPO geregelt ist.
Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Prozessbevollmächtigte auch für das Prozesskostenhilfeverfahren bevollmächtigt ist. Davon ist auszugehen, wenn der Prozesskostenhilfeantrag nicht durch die Partei, sondern durch den Prozessbevollmächtigten gestellt worden ist. (BAG, Beschluss v. 19.07.2006, 3 AZB18/06, juris ). Dies ist vorliegend der Fall.
Damit war der Beschluss vom 17.12.2021 am 21.12.2021 wirksam zugestellt, die Rechtsmittelfrist endete am 21.01.2022, weshalb die am 25.01.2022 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde verspätet war.
b) Der Kläger hat allerdings mit der erhobenen sofortigen Beschwerde jedenfalls incidenter auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach §§ 233 f ZPO sind aber nicht erfüllt.
aa) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts hätte es den Kläger auf die sofortige Beschwerde vom 25.01.2022 zur Überzeugung der Beschwerdekammer nicht einfach dahingehend bescheiden dürfen, dass aufgrund der Versäumung der Notfrist "nichts veranlasst werden" könne.
Damit hat es den Inhalt des Beschwerdeschreibens nur unzureichend erfasst und bewertet. Neben der ausdrücklich erhobenen sofortigen Beschwerde enthielt dieses Schreiben zum einen eine Begründung für die verspätete Einlegung der sofortigen Beschwerde - die vorliegende Haft - sowie eine Begründung für Ratenrückstände - die Einkommenslosigkeit aufgrund der Haft. Vor diesen Ausführungen durfte das Arbeitsgericht nicht ohne weiteres die Augen verschließen.
bb) Grundsätzlich gilt, dass Anträge von Parteien dergestalt auszulegen sind, dass das von der Partei angestrebte Ziel zu ermitteln und zu prüfen ist, ob es die Voraussetzungen einer Prozesshandlung erfüllt, welche entsprechend zu bescheiden ist (LAG Hamm, Beschluss vom 28. September 2017 5 Ta 473/17, juris; Besc...