Entscheidungsstichwort (Thema)
Einsicht in Wahlakten. Anfechtung einer Betriebsratswahl. Wirksamkeit einer Betriebsratswahl
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber hat das grundsätzliche Recht, ohne die Geltendmachung eines besonderen Interesses vom Betriebsrat die Einsichtnahme in die Wahlakten einer Betriebsratswahl verlangen zu können. Dies gilt allerdings nicht für Aktenbestandteile, aus denen Rückschlüsse auf das Wahlverhalten einzelner Arbeitnehmer gezogen werden können, es sei denn, es ist zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl erforderlich.
Normenkette
BetrVG § 19 Abs. 1, 2 S. 2; WO § 19
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Entscheidung vom 02.10.2013; Aktenzeichen 3 BV 7/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rheine vom 02.10.2013 - 3 BV 7/13 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl; daneben macht die Arbeitgeberin einen Anspruch auf Einsicht in die Wahlakten geltend.
Im Betrieb der Arbeitgeberin sind 38 Arbeitnehmer beschäftigt. Nach dem Rücktritt zweier Betriebsratsmitglieder fand am 26.04.2013 die Neuwahl des Betriebsrates statt.
In der vom Wahlvorstand gefertigten Wahlniederschrift vom 26.04.2013 heißt es auszugsweise wie folgt:
"1. Der Wahlvorstand hat am 26.04.13 die öffentliche Stimmauszählung durchgeführt und festgestellt, dass insgesamt 33 Wahlumschläge abgegeben worden sind. Insgesamt sind 30 gültige Stimmen abgegeben worden.
2. Auf die einzelnen Bewerberinnen und Bewerber entfielen folgende Stimmen:
Bewerberin/Bewerber 1: Frau/Herr I 22 Stimmen
Bewerberin/Bewerber 2: Frau/Herr C 8 Stimmen
Bewerberin/Bewerber 3: Frau/Herr Stimmen
Bewerberin/Bewerber 4: Frau/Herr Stimmen
Bewerberin/Bewerber 5: Frau/Herr Stimmen
3. Die Zahl der ungültigen Stimmen beläuft sich auf 3 Stimmen.
4. Die Namen der in den Betriebsrat gewählten Personen lauten:
a) Frau/Herr I
b) Frau/Herr
c) Frau/Herr
d) Frau/Herr
e) Frau/Herr"
Daran anknüpfend, wurde unter Benutzung eines Formulars "160c Normales Wahlverfahren" öffentlich bekannt gegeben, dass sich der neu gewählte Betriebsrat zusammensetze aus "I" (Bl. 91 d. A.).
Mit Schriftsatz vom 07.05.2013, beim Arbeitsgericht eingegangen am Folgetag, hat die Arbeitgeberin die Wahl angefochten. Zur Begründung hat sie sich, ebenso wie im vom 09.03.2011 datierenden Antragschriftsatz (Bl. 51 ff. d. A.) zur Anfechtung der vorangegangenen Betriebsratswahl vom 25.02.2011 (ArbG Rheine, 1 BV 4/11), auf folgende Punkte berufen:
- "Das Wahlausschreiben ist nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Die notwendigen Angaben gem. § 3 Abs. 2 der ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes, Wahlordnung - WO- sind nicht vollständig erfüllt.
- Nicht alle Mitarbeiter sind der deutschen Sprache hinreichend mächtig. Die Unterrichtung erfolgte aber nur in deutscher Sprache.
- Die Auslage der Wählerliste war zeitlich unzureichend.
- Die Ausnutzung der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen war nicht vollständig gegeben. Wahlvorstandsmitglieder hielten sich nicht bis zum Ablauf der Frist zur Empfangnahme von Wahlvorschlägen bereit.
- Die Vorschlagsliste wurde nicht unverzüglich geprüft. Die Listenvertreter wurden nicht unverzüglich unterrichtet.
- Die Vorschlagsliste wurde ohne Zustimmung der Unterzeichner geändert.
- Der Wahlvorstand hat die Stimmabgabenvermerke nicht hinreichend vor der Einsichtnahme Dritter gestützt während der noch laufenden Betriebsratswahl.
- Briefwahlunterlagen fehlten oder sind verspätet übersandt worden, trotz rechtzeitigen Antrags durch den Wahlvorstands sind Fristen nicht berücksichtigt worden, es sind verspätet Wahlvorschläge zugelassen worden, es sind verspätet Stimmen abgegeben worden, die 6-wöchige Aushangfrist für Wahlausschreiben ist nicht eingehalten worden, die im Wahlausschreiben angekündigte Zeit für die Stimmabgabe ist nicht eingehalten worden.
- Die Grundsätze der geheimen, unmittelbaren, freien und gleichen Wahl sind eingehalten worden."
Weiter heißt es: "Weiterer Vortrag bleibt der Vorlage der vollständigen Wahlakte vorbehalten".
In späteren Schriftsätzen vom 16.07. und 16.09.2013 erhob die Arbeitgeberin dann noch folgende Rügen:
Zunächst stelle sich der Verdacht, dass ausländische Mitbürger oder Mitarbeiter mit Migrationshintergrund einer Diskriminierung unterliegen könnten, weil bereits im Auskunftsschreiben des Wahlvorstandes von Mitte März 2013 (Bl. 25 f. d. A.) danach gefragt worden sei, ob alle Wahlberechtigten "ausreichend der deutschen Sprache mächtig sind".
Ferner bestünden erhebliche Zweifel an der ordnungsgemäßen Auszählung der Wahlstimmen. Ein Anteil ungültiger Stimmen von 10 % sei ungewöhnlich hoch. Er deute auf Manipulationen hin.
Auch die Wahlniederschrift sei falsch, denn gewählt worden sei nicht nur Herr I, sondern auch Herr C.
Schließlich sei die Wahl offensichtlich im Normalverfahren und nicht im vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt worden.
Aufgrund der aus den gerügten Punkten resultierenden Bedenken gegen ...