Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlussverfahren. einstweilige Verfügung. Freistellung von Kosten für Teilnahme an Schulungsveranstaltung. kein Anspruch auf Freistellung von der Arbeitsleistung. Kostenvorschuss. Verfügungsgrund
Leitsatz (amtlich)
Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber regelmäßig nicht im Wege der einstweiligen Verfügung die Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes zur Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung im Sinne des § 37 Abs. 6 BetrVG, deren Erforderlichkeit zwischen den Beteiligten streitig ist, verlangen, weil das Betriebsratsmitglied einer Zustimmung oder Freistellungserklärung des Arbeitgebers zur Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung nicht bedarf (im Anschluss an: LAG Düsseldorf, Beschluss vom 06.09.1995 – LAGE BetrVG 1972 § 37 Nr. 44; LAG Köln, Beschluss vom 22.11.2003 – DB 2004, 551; LAG Hamm, Beschluss vom 21.05.04 – 10 TaBV 41/04 –; Abweichung von: LAG Hamm, Beschluss vom 23.11.1972 – DB 1972, 2489).
Normenkette
ArbGG § 85 Abs. 2; BetrVG § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Beschluss vom 28.03.2008; Aktenzeichen 3 BVGa 3/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers und des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 28.03.2008 – 3 BVGa 3/08 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Wege der einstweiligen Verfügung um einen Anspruch auf Freistellung von Kosten für eine beabsichtigte Schulungsteilnahme des Antragstellers und Betriebsratsvorsitzenden.
Die Arbeitgeberin betreibt in B1 L1 ein Lager, Fuhrpark und Verwaltung, von wo aus sie insgesamt 75 Filialen beliefert und verwaltet. In ihrem Betrieb sind etwa 850 Mitarbeiter beschäftigt. Im Betrieb der Arbeitgeberin ist ein aus dreizehn Personen bestehender Betriebsrat, der Beteiligte zu 3, gewählt. Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, der Beteiligte zu 1, ist der Betriebsratsvorsitzende. Der Betriebsratsvorsitzende ist gelernter Koch und seit dem 06.03.1989 bei der Arbeitgeberin als Kraftfahrer im Fuhrpark tätig. In der Zeit von Oktober 1998 bis April 2002 war er gewähltes Betriebsratsmitglied. Im April 2006 wurde er erneut in den Betriebsrat gewählt und nimmt seit dem 18.04.2006 die Funktion des Betriebsratsvorsitzenden wahr, er ist freigestellt.
Seit seiner Wahl zum Betriebsratsvorsitzenden besuchte der Antragsteller mehrere Betriebsratsschulungen. Auf die Aufstellung in der Antragsschrift vom 13.03.2008 wird insoweit Bezug genommen.
Auf seiner Betriebsratssitzung vom 12.12.2007 beschloss der Betriebsrat, seinen Vorsitzenden, den Antragsteller, zu der Teilnahme an einem Seminar „Rhetorik für Betriebsräte – Teil 1” vom 26.05.2008 bis 30.05.2008 in W3, veranstaltet von der Akademie für Arbeits- und Sozialrecht R2-W4, zu entsenden. Nach dem Schulungsprogramm (Bl. 23 d. A.) sollten folgende Themen behandelt werden:
„I.
- • Die Grundlagen der Kommunikationspsychologie,
- • Grundlagen des freien und wirksamen Redens und Argumentierens
- • Abbau von Redehemmungen
- • Körpersprachliche Signale
- • Umgang mit und Abbau von Nervosität
- • Freies Formulieren von Gedanken
- • Aufbau und Wirkung von Argumenten
- • Auseinandersetzung mit Gegenargumenten der Gesprächspartner
- • Effektive Fragetechniken
- • Umgang mit überraschenden Situationen
- • Argumentationskonzepte in typischen Gesprächssituationen
II.
- • Beratung von Kolleginnen und Kollegen als Aufgabe des Betriebsrats
- • Schaffung eines vertrauensvollen Gesprächsklimas
- • Abbau von Hemmungen beim Ratsuchenden etc. pp.
III.
- • überzeugendes Auftreten vor Publikum
- • die Rede auf der Betriebsversammlung
- • Grundlagen für Reden und Vorträge
- • Vorbereitung der Redebeiträge
- • Reden mit Hilfe eines Stichwortkonzeptes
- • Gliederung einer Überzeugungsrede
- • Aufbau einer Präsentation
- • Aufbau eines Rechenschaftsberichts
- • Der Anfangs- und der Schlusssatz
- • Gestik, Mimik, Stimme
- • Gewinn von Selbstsicherheit
- • Einsatz visueller Hilfsmittel
- • Umgang mit „Störern”
IV.
- • Grundlagen der erfolgreichen Diskussion
V.
- • Videounterstützte Praxisübungen
- • Individuelle Auswertung der Videoaufzeichnung sowie ein persönliches Feedback werden ebenfalls vermittel um dem Personalteilnehmer ein sicheres Auftreten vor Publikum zu ermöglichen”
Mit Schreiben vom 14.12.2007 (Bl. 13 d. A.) unterrichtete der Betriebsrat die Arbeitgeberin von der beabsichtigten Maßnahme und bat die Arbeitgeberin um eine Kostenübernahmeerklärung. Die Arbeitgeberin lehnte jedoch mit Schreiben vom 04.01.2008 und 17.01.2008 (Bl. 14, 17 d. A.) eine Kostenübernahme ab, weil die Teilnahme des Antragstellers an dem streitigen Seminar aus ihrer Sicht nicht der Wahrnehmung der betriebsverfassungs-rechtlichen Aufgaben des Betriebsrates diene und insoweit nicht erforderlich sei.
Der Betriebsrat hielt auf seiner Betriebsratssitzung vom 06.02.2008 (Bl. 18 ff. d. A.) an dem am 12.12.2007 gefassten Beschluss fest und beauftragte seine Verfahrensbevollmächtigten mit der Einleitung des vorliegenden Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, das am 17.03.2008 beim Arbeitsgericht anhängig gemacht wurde.
Unter Vorla...