Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Kostgeld. Unterkunftskosten. freies Wohnen. Naturalleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat eine Partei, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt, ihr Einkommen einzusetzen. Dazu gehören alle Einkünfte in Geld und Geldeswert (§ 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO) und damit grundsätzlich auch in Natur empfangene Unterhaltsleistungen. Die vom Unterhaltsverpflichteten gewährte Verpflegung ist dabei nach § 2 Abs. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu bewerten.

2. Zahlt der Antragsteller für die im Übrigen freie Gewährung von Unterkunft und Verpflegung ein Kostgeld, ist der darin enthaltene Verpflegungsanteil bei den Einkünften in Abzug zu bringen. Sofern dazu keine ausdrückliche Bestimmung getroffen wurde, entfällt die Hälfte des Kostgeldes auf die Verpflegungskosten.

3. Unentgeltliches Wohnen kann nicht als ein dem Einkommen gleichstehender Sachbezug angesehen werden (gegen BAG, Beschluss vom 12.10.2009 – 3 AZB 21/09 – n.V.). Dies folgt aus der Entscheidung des Gesetzgebers, im Prozesskostenhilfeverfahren Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO nur als Abzugsposten beim erzielten Einkommen zu berücksichtigen.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 Sätze 2, 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Beschluss vom 27.09.2010; Aktenzeichen 3 Ca 3393/10)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 3 AZB 33/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 04.10.2010 wird der Prozesskostenhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 27.09.2010 – 3 Ca 3393/10 – unter Zurückweisung im Übrigen dahin abgeändert, dass die monatlichen Raten auf 45,00 EUR herabgesetzt werden.

Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugunsten der Staatskasse zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit seiner am 27.07.2010 eingegangenen Klage wandte sich der Kläger gegen eine fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 15.07.2010. Im Gütetermin am 07.09.2010 schlossen die Parteien zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich, der u.a. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien zum 15.08.2010 zum Gegenstand hat.

Mit der Klage hat der Kläger zugleich Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und zu diesem Zweck eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Akte gereicht, hinsichtlich deren Einzelheiten auf Blatt 3 des PKH-Hefts verwiesen wird. Auf gerichtliche Zwischenverfügung vom 05.08.2010 hat er ergänzend einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit über die Bewilligung von Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 487,20 EUR sowie ein Bestätigungsschreiben vom 10.08.2010 überreicht, aus dem hervorgeht, dass er an seine Eltern, in deren Haushalt er lebt, einen monatlichen Betrag in Höhe von 350,00 EUR zahlt.

Anhand der Angaben des Klägers hat das Arbeitsgericht Dortmund ein einzusetzendes Einkommen in Höhe von 157,00 EUR ermittelt. Dabei ist es von folgenden Beträgen ausgegangen:

Einkünfte

PKH-Partei

Lohn/Gehalt (netto)

487,20 Euro

Unterhalt

420,00 Euro

Gesamteinkünfte

907,20 Euro

Abzüge

PKH-Partei

U.-Freibetrag d. PKH-Partei

395,00 Euro

Arbeitsmittelpauschale

5,20 Euro

Kost und Logis

350,00 Euro

Gesamtabzüge

750,20 Euro

Berechnung des einzusetzenden Einkommens

Gesamteinkünfte

907,20 Euro

Gesamtabzüge

750,20 Euro

Einzusetzendes Einkommen

157,00 Euro

Demgemäß hat das Arbeitsgericht Dortmund durch Beschluss vom 27.09.2010 dem Kläger unter Beiordnung von Rechtsanwalt D2 Prozesskostenhilfe mit der Maßgabe bewilligt, dass er aus seinem Einkommen monatliche Raten in Höhe von 60,00 EUR zu zahlen hat.

Hiergegen richtet sich die am 05.10.2010 eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers vom 04.10.2010, mit der dieser geltend macht, er erhalte lediglich 487,20 EUR Arbeitslosengeld. Weiteres Einkommen in Höhe von 420,00 EUR werde ihm als Unterhalt angerechnet, obwohl er diesen Unterhaltsbetrag gar nicht erhalte. Demgemäß sei er weder in der Lage, noch verpflichtet, monatliche Raten zu zahlen.

Das Arbeitsgericht Dortmund hat der sofortigen Beschwerde des Klägers durch Beschluss vom 25.10.2010 nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach den §§ 46 Abs. 2 Satz 3, 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig. Die einmonatige Notfrist (§ 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO) für die Einlegung der sofortigen Beschwerde ist gewahrt.

In der Sache ist die sofortige Beschwerde teilweise begründet.

Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, sofern die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Einkommen einzusetzen. Dazu gehören nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Demzufolge zählen zum Einkommen grundsätzlich auch Unterhaltsleistungen in Natur, w...

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