Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert eines Vergleichs im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisklausel und die Regelung eines Wettbewerbsverbots

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts setzt voraus, dass die Parteien sich über einen gerichtlich nicht anhängigen Anspruch geeinigt haben, über den Streit bestand. Dass Sie durch den Vergleich etwas erlangen oder sich zu etwas verpflichten, reicht für sich genommen nicht aus.

2. Die Aufnahme ergänzender Leistungen zur Beilegung der Streitigkeit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses vermag einen Vergleichsmehrwert nicht zu begründen, wenn die Parteien sich hierüber einig waren.

3. Eine Regelung zur Aufhebung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ist jedoch in Ansatz zu bringen, wenn hierdurch die Rechtsunsicherheit der Parteien insbesondere im Hinblick auf den weiten räumlichen Geltungsbereich ausgeräumt wird.

4. Der Wert einer Streitigkeit über die Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots kann nach dem Betrag der für den fraglichen Zeitraum zu zahlenden Karenzentschädigung bzw. Mindestentschädigung bemessen werden.

5. Eine Zeugnisklausel vermag einen Vergleichsmehrwert nicht zu begründen, wenn Gegenstand des Kündigungsschutzverfahrens eine betriebsbedingte Kündigung ist und daher nicht zu erwarten ist, dass relevante Leistungs- oder Führungsmängel des Arbeitnehmers im Raume stehen, die eine Auseinandersetzung über wesentliche Zeugnisinhalte erwarten lassen.

 

Normenkette

GKG § 63 Abs. 2, 3 S. 1 Nr. 2, § 68 Abs. 1; RVG § 32 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 01.06.2022; Aktenzeichen 3 Ca 1072/22)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 7. Juni 2022 sowie im Übrigen gemäß § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 1. Juni 2022 - 3 Ca 1072/22 - teilweise abgeändert. Der Vergleichswert wird auf 31.597,50 EURO festgesetzt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung des Gebührenstreitwerts für ein durch Prozessvergleich erledigtes Bestandsschutzverfahren, hier allein die Höhe des Vergleichsmehrwerts.

I.

Der Kläger war seit Januar 2010 bei der Beklagten als Produktions- und Prozessentwickler gegen ein Bruttogehalt einschließlich der Sachbezüge in Höhe von zuletzt 7.660,00 € monatlich beschäftigt. Neben dem Arbeitsvertrag begründeten die Parteien im Juni 2009 eine begleitende Wettbewerbsvereinbarung (Bl. 96 ff d. A.), auf deren Inhalt verwiesen wird. Danach war dem Kläger jede Tätigkeit in Herstellung und Vertrieb keramischer Bauteile in ganz Europa für die Dauer von zwei Jahren nach Vertragsende gegen eine Karenzentschädigung in Höhe der hälftigen zuletzt bezogenen Vergütung untersagt. Mit Schreiben vom 7. März 2022, welches der Kläger gemäß seiner darauf aufgebrachten Bestätigung noch am Ausstellungstag erhielt, verzichtete die Beklagte unter Rekurs auf § 75a HGB auf das Wettbewerbsverbot.

Unter dem 29. März 2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich und unter Hinweis auf betriebsbedingte Gründe zum 30. September 2022. Gegen diese Kündigung wandte sich der Kläger, im Prozess anwaltlich vertreten durch die Beschwerdeführer, mit einer am 31. März 2022 anhängig gemachten Bestandsschutzklage. Mit Beschluss vom 20. April 2022, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, stellte das Arbeitsgericht gemäß § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO das Zustandekommen und den Inhalt eines verfahrensbeendenden Prozessvergleichs fest. Dieser sieht eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2022 (Ziffer 1) gegen Zahlung einer namhaften Abfindung (Ziffer 3) vor, die sich bei einem vorzeitigen Ausscheiden des Klägers um 6.000,00 € je vollem Monat erhöhen soll (Ziffer 4 "Turboklausel"). Vereinbart sind ferner eine unwiderrufliche Freistellung ab dem 1. Juli 2022 (Ziffer 5), Outplacementleistungen in Höhe von 5.000,00 € (Ziffer 6), die Erstattung ggfls. nicht durch die klägerische Rechtsschutzversicherung abgedeckter Anwaltsgebühren (Ziffer 7), die weitere Nutzung der dem Kläger überlassenen Dienstfahrräder bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Ziffer 8), eine Zeugnisklausel mit inhaltlichen Festlegungen zur Beurteilung von Führung und Leistung und der weiteren Zeugnisgestaltung (Ziffer 9), die unbedingte und sofortige Aufhebung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots (Ziffer 10), weitere Klauseln etwa zu unstreitigen Ansprüchen aus der betrieblichen Altersversorgung, zur Herausgabe nicht näher bestimmter Arbeitsmittel durch den Kläger, der Erteilung von Arbeitspapieren, zur Verschwiegenheit und eine Insolvenzschutzklausel (Ziffer 16).

Auf Antrag der Beschwerdeführer aber entgegen deren umfänglichen Anregungen zur Bemessung setzte das Arbeitsgericht den Gebührenstreitwert mit Beschluss vom 1. Juni 2022 für das Verfah...

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