Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung. Zustimmungsverweigerung. Versetzung. Verlust von Bürotätigkeiten. ordnungsgemäße Einleitung des Zustimmungsverfahrens durch den Arbeitgeber. ordnungsgemäße Zustimmungsverweigerung. Benachteiligung des betroffenen Arbeitnehmers. Benachteiligung anderer Arbeitnehmer
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Benachteiligung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG kann sich aus dem Verlust einer Rechtsposition, aber auch aus tatsächlichen Nachteilen von nicht unerheblichem Gewicht ergeben, wie sie etwa bei ungünstigen Auswirkungen auf die Umstände der Arbeit anzunehmen sind. Solche Nachteile können sowohl bei einer Verschlechterung der äußeren Arbeitsbedingungen als auch der materiellen Arbeitsbedingungen gegeben sein.
2. Nicht jede Benachteiligung eines Arbeitnehmers begründet ein Widerspruchsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG. Vielmehr darf die Benachteiligung nicht durch betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe gerechtfertigt sein. Durch betriebliche Gründe gerechtfertigt ist eine Benachteiligung, wenn sie die unmittelbare Folge einer gestaltenden Unternehmerentscheidung ist. Die unternehmerische Entscheidung selbst ist im Rahmen des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Insoweit sind die für das Kündigungsschutzverfahren entwickelten Überlegungen entsprechend heranzuziehen. Der Betriebsrat kann nicht über einen auf § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG gestützten Zustimmungsverweigerungsgrund erzwingen, dass die unternehmerische Entscheidung wieder rückgängig gemacht wird.
Normenkette
BetrVG § 95 Abs. 3, § 99 Abs. 1, 2 Nrn. 3-4, Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Beschluss vom 27.04.2010; Aktenzeichen 1 Ca 31/09) |
ArbG Hamm (Aktenzeichen 1 BV 31/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 27.04.2010 – 1 Ca 31/09 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten um die Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung eines Mitarbeiters.
Die antragstellende Arbeitgeberin ist ein Dienstleister für alle Gesellschaften der M2 Group, die in H2 einen Lagerbetrieb für Lebensmittel mit Zentrallagerfunktion betreibt. Im Betrieb in H2 sind ca. 180 Mitarbeiter beschäftigt. Im Betrieb in H2 ist ein Betriebsrat gewählt, der aus sieben Personen besteht.
Seit Februar 2003 beschäftigt die Arbeitgeberin aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 30.01.2003 (Bl. 9 d. A.) den Arbeitnehmer S5 K4 als Lagerarbeiter zu einem Tariflohn nach der Stufe L IV. Der Monatsverdienst des Mitarbeiters K4 betrugt zuletzt 1.938,00 EUR.
Der Arbeitnehmer K4 war neben weiteren fünf Arbeitnehmern, unter ihnen die Mitarbeiter B3 und B4, im Bereich „Warenausgang/Verladung/Reihenvergabe” eingesetzt und hatte dort auch unter anderem Bürotätigkeiten zu verrichten. Der Umfang der zu verrichtenden Bürotätigkeiten ist zwischen den Beteiligten streitig.
Nachdem die Arbeitgeberin die Vertriebsmarke „E3” verkauft hatte, verblieben von den bis zum 01.01.2008 belieferten 330 Märkten ab dem 01.01.2009 etwa 220 Märkte. Dies hatte einen Rückgang von täglich ca. 25.000 Verpackungseinheiten zur Folge. Die Arbeitgeberin führte daraufhin Umstrukturierungsmaßnahmen durch, die auf einer Betriebsversammlung erläutert wurden. Von diesen Umstrukturierungsmaßnahmen war auch der Bereich „Warenausgang/Verladung/Reihenvergabe” betroffen. Aufgrund des geringeren Auftragsvolumens sollten bestimmte, von den im Bereich „Warenausgang/Verladung/Reihenvergabe” tätigen sechs Mitarbeitern verrichtete Bürotätigkeiten nur noch von drei Mitarbeitern ausgeübt werden, restliche Bürotätigkeiten sollten auf die Fuhrparkdisponenten verteilt werden. Die Mitarbeiter B3, K4 und B4 sollten ausschließlich mit Lagerarbeiten beschäftigt werden.
Der Arbeitnehmer B3 setzte sich gegen diese personelle Maßnahme in einem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit – 3 Ca 905/09 Arbeitsgericht Hamm – zur Wehr. Im Parallelverfahren des Mitarbeiters B4 – 2 Ca 1639/09 Arbeitsgericht Hamm – wurde am 24.08.2009 ein Vergleich abgeschlossen (Bl. 11 d. A.), wonach die Arbeitgeberin sich unter anderem verpflichtete, zunächst ein Mitbestimmungsverfahren beim Betriebsrat durchzuführen.
Mit Schreiben vom 31.08.2009 (Bl. 67,69 d. A.) bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat daraufhin um Zustimmung zur Versetzung des Mitarbeiters K4.
Mit Schreiben vom 04.09.2009 (Bl. 67, 68 d. A.) widersprach der Betriebsrat dieser Maßnahme unter Angabe folgender Gründe:
- „Wir widersprechen diesem Antrag nach § 99 Abs. 2, Satz 4 BetrVG.
- Anhand Ihrer Aufstellung der weggefallenen Märkte und VPE pro Tag müssen wir darauf hinweisen, dass Sie nicht aufgeführt haben, wie viele Märkte und VPE durch S7, M2 CC und durch die Übernahme W4-M3 (jetzt R2) im TK und TS aufgeschaltet wurden.
- Ihren Angaben zufolge würde der Arbeitsaufwand ausreichend sein für 3 Mitarbeiter, aber wir mussten nach Überprüfung feststellen, dass von Seiten der Disposition und Vergabe Mehrarbeit f...