Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Auslegung einer Prozesserklärung. sofortige Beschwerde. Einreichung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Anforderungen an die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Mitwirkung
Leitsatz (redaktionell)
Hebt das Arbeitsgericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf, weil die Prozesspartei trotz Anforderung keine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht hat, so ist die nachträgliche Einreichung einer solchen Erklärung als Einlegung der sofortigen Beschwerde i.S. von § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO auszulegen.
Normenkette
ZPO § 127 Abs. 2 S. 2, § 569 Abs. 2; BGB § 140
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Entscheidung vom 27.12.2012; Aktenzeichen 2 Ca 472/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 27.12.2012 gegen den Prozesskostenhilfe-Aufhebungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 21.11.2012 wird der Beschluss aufgehoben und die sofortige Beschwerde zur erneuten Nichtabhilfeprüfung an das Arbeitsgericht zurückgegeben.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 10.06.2011 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Unter dem 09.08.2012 wurde der Kläger im Anschluss an eine Anfrage im automatisierten Verfahren gebeten, bis zum 07.09.2012 eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzugeben. Nachdem dies nicht geschah, wurde mit Beschluss vom 21.11.2012 die bewilligte Prozesskostenhilfe wegen fehlender Mitwirkung im Überprüfungsverfahren aufgehoben. Dieser Beschluss wurde dem Kläger am 26.11.2012 zu Händen seines Prozessbevollmächtigten zugestellt.
Am 27.12.2012 ging daraufhin eine unterschriebene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers mit Angaben ein, aus der sich ergab, dass der Kläger bis März 2012 Arbeitslosgengeld bezogen hat und ab April 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Entsprechender Beleg lag bei. Mit Schreiben vom 10.01.2013 teilte das Arbeitsgericht mit, dass diese Übersendung des Antrages nicht als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 21.11.2012 angesehen wird, weshalb dieser rechtskräftig geworden sei. Unter dem 14.01.2013 beantragte der Kläger durch seine hierzu bevollmächtigte Mutter auf der Geschäftsstelle die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und legte gleichzeitig sofortige Beschwerde ausdrücklich ein. Das Arbeitsgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab, da Wiedereinsetzungsgründe seiner Auffassung nach nicht gegeben waren.
II. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes hat der Kläger form- und fristgerecht gem. § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 11a Abs. 3, 78 ArbGG und §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff ZPO sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 21.11.2012 eingelegt, diese ist damit zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg.
Zwar erfolgt die Einlegung der sofortigen Beschwerde grundsätzlich durch Einreichung einer Beschwerdeschrift, die die angefochtene Entscheidung benennt und die Erklärung enthält, dass gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt wird. Eine unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels ist aber unschädlich, wenn irgendwie der Wille zum Ausdruck gebracht wird, die angefochtene Entscheidung möge sachlich überprüft werden, insbesondere ist bei anwaltlich nicht vertretener Partei eine entsprechend entgegenkommende Auslegung geboten. (siehe zu allem Zöller-Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 569 Rz. 7, 7a)
Grundsätzlich gilt auch im Prozesskostenhilfeverfahren, dass eine Parteihandlung mit einem prozessrechtlichen Gehalt auszulegen und als bestimmte Handlungsform - ggf. analog § 140 BGB - zu deuten oder umzudeuten ist, wenn sie die Voraussetzungen der Prozesshandlung erfüllt und ein entsprechender maßgeblicher Parteiwille zu erkennen ist. Dabei ist dem erkennbaren Parteiwillen Rechnung zu tragen, eine gerichtliche Entscheidung nicht akzeptieren zu wollen, weil sie der Rechtslage nicht entspreche.
Das Rechtsstaatsprinzip gebietet es, den Zugang zu Rechtsbehelfsverfahren nicht in unzumutbarer Weise zu erschweren (BVerfG NJW 1993, 1380). Deshalb hat ein Gericht den Vortrag sachdienlich so auszulegen, dass die Erreichung des regelmäßig gewünschten Ziels, eine günstige anderweitige Entscheidung zu erreichen, möglich ist. Alle Anträge gegen getroffene Entscheidungen bis zum Ablauf der Beschwerdefrist sind grundsätzlich als Beschwerde aufzufassen, da mit der Beschwerde sowohl die Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung als auch eine zwischenzeitliche Veränderung bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung geltend gemacht werden können (Kalthoener/ Büttner, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Auflage 2012, Rz. 861). Auch bloße Eingaben oder Gegenvorstellungen sind in Fällen noch möglicher sofortiger Beschwerde als solche aufzufassen. Im Rahmen sachdienlicher Auslegung ist der Einreichung einer Erklär...