Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplanansprüche in der Insolvenz. Masseverbindlichkeiten. Insolvenzforderungen. Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs
Leitsatz (amtlich)
Sozialplanansprüche, die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstanden sind, aber auf eine noch von der Insolvenzschuldnerin geplante Betriebsänderung zurückgehen, sind Masseverbindlichkeiten i.S.d. § 123 Abs. 2 S. 1 InsO.
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 5, §§ 111-112; InsO §§ 38, 123-124
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Beschluss vom 03.11.2009; Aktenzeichen 1 BV 11/09) |
Tenor
Die Beschwerde des Insolvenzverwalters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 03.11.2009 – 1 BV 11/09 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstelleneinspruchs.
Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der K2 D2 GmbH und Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin), in deren Betrieb ein Betriebsrat gebildet war.
Am 20.08.2008 nahm die Schuldnerin, in deren Betrieb in H2 seinerzeit noch ca. 35 Mitarbeiter beschäftigt waren, und der Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan wegen einer von der Schuldnerin geplanten Betriebsstilllegung auf. Zu diesem Zeitpunkt war der Warenbestand der Schuldnerin zum Teil schon veräußert.
Anfang September 2008 veräußerte die Schuldnerin auch das Lagerinventar und ließ es abtransportieren. Der Geschäftsführer der Schuldnerin setzte sich ins Ausland ab.
Am 22.09.2008 beantragte die AOK W1-L1 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens wurde zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 01.11.2008 (Blatt 16 der Akten) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet. Der Antragsteller wurde zum Insolvenzverwalter ernannt.
Am 12.11.2008 forderte der Betriebsrat den Insolvenzverwalter zu weiteren Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan auf. Der Insolvenzverwalter teilte am 23.11.2008 mit, dass aus seiner Sicht eine Pflicht zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans nicht bestehe.
Mit dem am 28.11.2008 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren begehrte der Betriebsrat daraufhin die Einrichtung einer Einigungsstelle zur Verhandlung über einen Interessenausgleich und Sozialplan. Nach Verweisung an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Hamm schlossen die Beteiligten im Beschlussverfahren 1 BV 1/09 Arbeitsgericht Hamm am 20.01.2008 folgenden Vergleich (Blatt 33 der Akten), dessen Wortlaut wie folgt lautet:
- Die Beteiligten sind sich darin einig, dass eine Einigungsstelle zur Verhandlung über einen Sozialplan unter Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht S5t1 eingerichtet wird, mit jeweils zwei Beisitzern auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite.
- Damit ist das Verfahren erledigt.
Die Beteiligten verständigten sich am 06.02.2009 im Rahmen der ersten Sitzung der Einigungsstelle darauf, einen Sozialplan abzuschließen. Ob und inwieweit in diesem ersten Sitzungstermin zwischen den Beteiligten und dem Einigungsstellenvorsitzenden Einigkeit darüber erzielt worden ist, dass die aus dem Sozialplan resultierenden Abfindungen Insolvenzforderungen im Sinne des § 38 InsO darstellen, ist zwischen den Beteiligten streitig. Auf den Inhalt des am Ende der Einigungsstellensitzung vom 06.02.2006 vom Einigungsstellenvorsitzenden vorgelegten Entwurf eines Sozialplans wird verwiesen (Blatt 34 ff. der Akten).
In seiner Email vom 07.04.2009 (Blatt 41 der Akten) vertrat der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats die Auffassung, dass die Sozialplanabfindungen Masseverbindlichkeiten der Arbeitnehmer begründeten.
Am 07.05.2009 fand eine zweite Sitzung der Einigungsstelle statt, an dessen Ende durch Spruch ein Sozialplan im Sinne des § 123 InsO verabschiedet wurde. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Spruchs der Einigungsstelle vom 07.05.2009 (Blatt 43 ff. der Akten) Bezug genommen.
Mit dem am 22.05.2009 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte der Insolvenzverwalter die Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs vom 07.05.2009 geltend.
Er hat die Auffassung vertreten, der Spruch der Einigungsstelle verstoße gegen vorrangiges Recht. Da die Einigungsstelle die Sozialplanforderungen durch Spruch als Masseforderungen im Sinne des § 123 InsO qualifiziert habe, liege ein Verstoß gegen die §§ 123, 124 InsO vor. §§ 123, 124 InsO regelten nicht den hier vorliegenden Fall, dass vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auch vor Insolvenzantrag eine Betriebsänderung vorliege und es nicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Abschluss eines Sozialplanes gekommen sei. In einem solchen Fall seien Forderungen aus einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellten Sozialplan nur als Insolvenzforderungen nach § 38 InsO zu begreifen. § 123 InsO enthalte kei...