Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Einigungsgebühr. Bewilligung für Protokollierung oder für Mitwirkung bei Vertragsverhandlungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG kann der beigeordnete Rechtsanwalt aus der Staatskasse nur beanspruchen, wenn der Gebührentatbestand nach seiner Beiordnung erfüllt wurde. Deshalb scheidet eine Vergütung für einen Vergleich aus, der vor der Beiordnung als Rechtsanwalt abgeschlossen wurde. Ebenso wie gebührenauslösende Tätigkeiten vor Bewilligung und Beiordnung für die Rechtsverfolgung nicht vergütungsfähig sind, darf auch keine Prozesskostenhilfe nach Vergleichsabschluss für einen Vergleich bewilligt werden, der nichtrechtshängige Gegenstände einbezieht.
2. Wird jedoch unter Verkennung dieser Rechtslage Prozesskostenhilfe nachträglich für einen bereits abgeschlossenen Prozessvergleich bewilligt, handelt es sich zwar um eine fehlerhafte Entscheidung; diese bindet jedoch für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 55 RVG.
3. Für die Mehreinigung vor dem Arbeitsgericht kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe einerseits für die ursächliche Mitwirkung bei Vertragsverhandlungen oder für den Abschluss des Vertrags und andererseits allein für die Protokollierung der Einigung (die nach Nr. 1003 VV RVG in Abweichung von Nr. 1000 VV RVG ggf. ein Vergleich sein muss) in Betracht. Nur für den letztgenannten Fall sieht Nr. 1000 VV RVG iVm. Nr. 1003 VV RVG die 1,5-Einigungsgebühr vor.
4. Findet jedoch vor dem Arbeitsgericht eine Erörterung der Sach- und Rechtslage (auch im Hinblick auf die nicht anhängigen Streitgegenstände) und infolgedessen eine Einigung einschließlich Mehreinigung statt und wurde für die ursächliche Mitwirkung bei der Vertragsverhandlung oder für den Abschluss des Vertrags vor dem Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe beantragt und bewilligt, kann allenfalls eine 1,0-Einigungsgebühr anfallen.
5. Maßgeblich ist auf den Inhalt des Bewilligungsbeschlusses abzustellen. Enthält dieser keine ausdrückliche Aussage, ob die Bewilligung nur für die Protokollierung oder für die Mitwirkung bei der Vertragsverhandlung oder für den Abschluss des Vertrags erfolgt, ist ergänzend auf den Antrag und zuletzt auf den im Gerichtsprotokoll dokumentierten Einigungsverlauf abzustellen.
Normenkette
RVG § 55
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Beschluss vom 06.06.2007; Aktenzeichen 5 Ca 1140/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 06.06.2007 – 5 Ca 1140/06 – wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Die Parteien des Hauptsacheverfahrens stritten um verschiedene Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis. Der Klägerin ist mit Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 28.08.2006 Prozesskostenhilfe in vollem Umfang bewilligt und der Antragsteller als Rechtsanwalt beigeordnet worden. Unter dem 08.11.2006 haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten für die Parteien „nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage” beantragt, einen im Schriftsatz mitgeteilten Vergleich zu protokollieren. Im Kammertermin vom 08.11.2006 wurde der Rechtsstreit dann durch den Vergleich beigelegt. Im Anschluss an die Genehmigung des Vergleichs hat der Antragsteller beantragt, der Klägerin auch für die Klageerweiterungen nach dem 10.05.2006 Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu bewilligen. Für den Vergleich hat das Arbeitsgericht in einer Anhörung zur Streitwertfestsetzung vom 07.02.2007 einen Mehrwert in Ansatz gebracht. Mit Schriftsatz vom 14.02.2007 hat die Klägerin beantragt, ihr auch Prozesskostenhilfe zu bewilligen für die Klageerweiterungen nach dem 10.05.2006 und für den Mehrvergleich unter Beiordnung des Antragstellers. Mit Beschluss vom 01.03.2007 hat das Arbeitsgericht der Klägerin für die Klageerweiterungen nach dem 10.05.2006 und für den „Mehrvergleich” Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Antragstellers bewilligt.
Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 09.03.2007 die Festsetzung der Kosten beantragt unter Berücksichtigung einer 1,5-Einigungsgebühr für den 12.390 EUR betragenden Mehrwert des Vergleichs. Die Rechtspflegerin hat mit Beschluss vom 23.04.2007 für den gesamten Vergleichswert lediglich eine 1,0-Einigungsgebühr in Ansatz gebracht. Hiergegen hat der Antragsteller sich mit der Erinnerung vom 26.04.2007 gewandt. Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Der Vorsitzende der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Bochum hat mit Beschluss vom 30.05.2007 die Erinnerung zurückgewiesen. Dagegen wendet der Antragsteller sich mit der Beschwerde vom 30.05.2007.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft (§ 56 Abs. 2 iVm. § 33 Abs. 3 bis 8 RVG), jedoch unbegründet. Dem Antragsteller steht für die angebliche Mehreinigung keine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG zu.
1. Die 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG kann der be...