Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Betriebsstilllegung, Stilllegung einer Rechtsanwaltssozietät. Betriebsübergang. Betriebsteilübergang. Übernahme von Büroräumen. Übernahme von Mandanten

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Rechtsanwaltskanzlei kann nur dann Gegenstand eines Betriebsübergangs sein, wenn Mitarbeiter vom Erwerber übernommen werden.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Urteil vom 01.10.2010; Aktenzeichen 2 Ca 749/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 01.10.2010 – 2 Ca 749/10 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Die am 06.11.1977 geborene Klägerin war seit dem 02.01.2003 bei der Beklagten als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 02.01.2003 (Bl. 7 ff. d. A.) zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 1.700,00 EUR tätig.

Die Beklagte betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die zuletzt aus sechs Rechtsanwälten bestand. Sie unterhielt Büros in H1, W1 und M1 und beschäftigte Anfang 2010 noch insgesamt 15 Mitarbeiter.

In § 2 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 02.01.2003 war vereinbart, dass die Klägerin als Mitarbeiterin in der Kanzlei für die Geschäftsstellen H1, W1, M1 und U1 eingestellt wurde. Tatsächlich war die Klägerin regelmäßig im Büro M1 als einzige regelmäßig beschäftigte Rechtsanwaltsgehilfin eingesetzt. Vom Büro M1 aus ging Rechtsanwalt Dr. B1 seiner Anwaltstätigkeit nach. Neben ihm war im Büro M1 Rechtsanwalt G1 als angestellter Rechtsanwalt tätig.

Der zwischen den Gesellschaftern der Beklagten geschlossene Gesellschaftsvertrag wurde noch am 25.02.2010 neu abgeschlossen. Nach § 2 Abs. 2 dieses Gesellschaftsvertrags war Hauptsitz der Gesellschaft H1. Auf die weiteren Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags vom 25.02.2010 (Bl. 22 ff. d. A.) wird Bezug genommen.

Durch Vertrag vom 25.02.2010 (Bl. 27 f. d.A.) schied Rechtsanwalt K3 N1 mit Wirkung zum 30.06.2010 aus der Anwaltssozietät der Beklagten aus.

Mit Schreiben vom 03.03.2010 (Bl. 29 d. A.), 11.03.2010 (Bl. 30 d. A.), 14.03.2010 (Bl. 31 d. A.), 15.03.2010 (Bl. 32 d. A.) und 16.03.2010 (Bl. 33 d. A.) kündigten die übrigen fünf Gesellschafter das Sozietätsverhältnis zum 30.09.2010.

Mit Schreiben vom 25.03.2010 (Bl. 12 f. d. A.) kündigte die Beklagte das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.09.2010 aus betriebsbedingten Gründen und wies zur Begründung darauf hin, dass die Anwaltssozietät gekündigt worden sei und deshalb beendet werde.

Hiergegen erhob die Klägerin, die seit Februar 2010 arbeitsunfähig war und im Sommer 2010 im Rahmen eines Wiedereingliederungsversuchs überwiegend im Büro H1 arbeitete und lediglich an einem Tag vier Stunden im Büro in M1 tätig war, am 16.04.2010 Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht.

Neben der Kündigung der Klägerin kündigte die Beklagte auch allen anderen Mitarbeitern/innen unter Einhaltung der jeweiligen Kündigungsfrist frühestens zum 30.09.2010. Auch das Arbeitsverhältnis mit dem im Büro M1 tätigen Rechtsanwalt G1 wurde zum 30.09.2010 gekündigt. Das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und der seinerzeit in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmerin M2 wurde schließlich nach Zustimmung der Bezirksregierung mit Schreiben vom 30.07.2010 zum 28.02.2011 gekündigt.

Mit Schreiben vom 13.04.2010 teilte die Beklagte den Vermietern der Räumlichkeiten des Rechtsanwaltsbüros in H1 mit, dass wegen der Kündigung aller Gesellschafter entsprechend des Mietvertrags das bestehende Mietverhältnis zum 30.09.2010 beendet sei; hilfsweise wurde das Mietverhältnis zum 30.09.2010 gekündigt.

Mit Schreiben vom 12.07.2010 kündigte die Beklagte den Mietvertrag betreffend die Büroräumlichkeiten in W1 zum 01.03.2011.

Mit einem weiteren Schreiben vom 22.07.2010 (Bl. 44 d. A.) kündigte die Beklagte auch den Mietvertrag betreffend die Räumlichkeiten in M1 zum 31.01.2011. Eine frühere Kündigung kam wegen des Mietvertrags nicht in Betracht.

Seit der Kündigung des Gesellschaftsvertrags verhandelte Rechtsanwalt Dr. B1 mit der Beklagten und der Vermieterin der Büroräumlichkeiten in M1 über die Übernahme des Mietvertrags über die Räumlichkeiten in M1 zwecks Fortführung seiner Rechtsanwaltstätigkeit in M1. Ein weiterer Teil der Räumlichkeiten wurde von der Beklagten vor der Kündigung des Mietvertrags bereits untervermietet.

Mit Wirkung zum 01.02.2011 ist Rechtsanwalt Dr. B1 in den über die Büroräume in M1 abgeschlossenen Mietvertrag eingestiegen.

Seit dem 01.07.2010 ist in den Büroräumen in M1 neben Herrn Rechtsanwalt Dr. B1 Herr Rechtsanwalt W2 tätig, beide bilden eine Bürogemeinschaft.

Bis zum 30.09.2010 nahm Herr Rechtsanwalt Dr. B1 noch Mandate für die Rechtsanwaltssozietät der Beklagten an. Die Übernahme der bis zum 30.09.2010 der Beklagten ...

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