Entscheidungsstichwort (Thema)
Parallelentscheidung zu LAG Hamm 14 Sa 485/19 v. 04.02.2020
Leitsatz (amtlich)
Parallelentscheidung zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 04.02.2020 - 14 Sa 485/19, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; ArbZG § 6 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 13.06.2019; Aktenzeichen 1 Ca 305/19) |
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 29.03.2019; Aktenzeichen 3 Ca 1293/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 13. Juni 2019 (1 Ca 305/19) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe eines angemessenen Nachtarbeitszuschlags.
Die Beklagte ist eine von mehreren Vertriebs- und Servicegesellschaften der Unternehmensgruppe X und hat ihren Sitz in R. Der Kläger ist bei ihr seit dem 1. Juli 1998 als Zeitungszusteller beschäftigt. Er hat zum einen Tageszeitungen an Zeitungsabonnenten zuzustellen, und zwar nach den Vorgaben der Beklagten bis spätestens 6:00 Uhr am Erscheinungstag. Des Weiteren liefert er donnerstags und samstags Anzeigenblätter aus.
Der Kläger erbringt seine Arbeitstätigkeit an sechs Werktagen pro Woche, und zwar ausschließlich während der Nachtzeit für mehr als zwei Stunden pro Arbeitsnacht zwischen 23:00 Uhr und 6:00 Uhr. Die Beklagte zahlte im hier streitigen Zeitraum von Juni bis Februar 2019 neben dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro bzw. ab 1. Januar 2019 von 9,19 Euro brutto für die Verteilung der Tageszeitungen einen Nachtarbeitszuschlag von 10 Prozent je Stunde. Der Kläger verlangt die Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages von 30 Prozent, die daraus resultierende Differenz beträgt rechnerisch unstreitig 1.181,66 Euro brutto.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (25. April 2018 - 5 AZR 25/17) aufgrund der dauerhaft geleisteten Nachtarbeit ein Nachtzuschlag in Höhe von 30 Prozent auf den Bruttolohn zu. Bei der Zeitungszustellung handele es sich nicht um eine leichte Tätigkeit. Sie müsse nicht zwingend vor 6:00 Uhr verrichtet werden, diese Vorgabe beruhe nur auf einem unternehmerischen Konzept der Beklagten. Eine spätere Zustellung nehme der Tageszeitung nicht ihren Wert. Eine elektronische Verbreitung sei zudem ein hinreichender Ersatz. Eine Verteuerung des Bezugspreises führe nicht zwingend zum Wegfall von Abonnenten. Die Höhe des Nachtzuschlags und die daraus folgende wirtschaftliche Belastung stellten daher für die Beklagte keine wirtschaftliche Überforderung dar, die von ihr dazu angegebenen Daten würden zudem bestritten. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Pressefreiheit liege nicht vor. Insbesondere könne sich die Beklagte in diesem Zusammenhang - anders als der Rettungsdienst - nicht auf überragende Gründe des Gemeinwohls berufen.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.181,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB auf einen Betrag i. H. v. 198,30 € ab dem 16. November 2018, auf einen Betrag i. H. v. 193,44 € ab dem 16. Dezember 2018, auf einen Betrag i. H. v. 193,44 € ab dem 16. Januar 2019, auf einen Betrag i. H. v. 208,16 € ab dem 16. Februar 2019, auf einen Betrag i. H. v. 187,20 € ab dem 16. März 2019 und auf einen Betrag i. H. v. 201,12 € ab dem 16. April 2019 zu zahlen,
- hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, nach ihrer Wahl dem Kläger im Umfang von 131,1 Stunden freie Arbeitstage zu gewähren oder an den Kläger 1.181,66 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB auf eine Betrag i. H. v. 198,00 € ab dem 16. November 2018, auf einen Betrag i. H. v. 193,44 € ab dem 16. Dezember 2018, auf weiteren Betrag i. H. v. 193,44 € ab dem 16. Januar 2019, auf einen Betrag i. H. v. 208,16 € ab dem 16. Februar 2019, auf einen Betrag i. H. v. 187,20 € ab dem 16. März 2019 und auf einen Betrag i. H. v. 201,12 € ab dem 16. April 2019 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, dass die von ihr bereits gezahlten Nachtarbeitszuschläge Prozent angemessen seien. Bei der Zustellung von Zeitungen handele es sich um leichte Tätigkeiten. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25. April 2018 (5 AZR 25/17) sei zudem rechtsfehlerhaft. Das Bundesarbeitsgericht habe das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht hinreichend berücksichtigt. Bei der Zustellung der Zeitungen an Abonnenten sei Nachtarbeit unvermeidbar, da eine Zustellung nach 6:00 Uhr für die Abonnenten der Tageszeitung nicht mehr sinnvoll sei. Die wirtschaftlichen Folgekosten eines Zuschlags in Höhe von 30 Prozent seien zudem erheblich, sie führten bei der Beklagten zu einer Erhöhung von 273.373,34 Euro auf ca. 753.000,00 Euro. Derartige Mehrkosten könnten nur durch eine Erhöhung der Abonnementpreise ausgeglichen werden, was zu einem Verlust von Abonnenten führe...