Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswille des Arbeitgebers bei betrieblicher Übung für zusätzlichen Urlaub. Kein Verfall von Urlaubsansprüchen bei fehlender Mitwirkung durch Arbeitgeber. Geltung von Mitwirkungspflichten auch nach ausgesprochener, streitiger Kündigung. Darlegungs- und Beweislast beim Arbeitgeber für Erfüllung der Mitwirkungspflichten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 3 S. 4 BUrlG ist nur dann eröffnet, wenn der Arbeitgeber zuvor seinen Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers nachgekommen ist.

2. Ist arbeitsvertraglich ein Urlaubsanspruch von 30 Werktagen vereinbart, kann sich bei einer Fünftagewoche ein darüber hinausgehender Urlaubsanspruch aus betrieblicher Übung ergeben, so dass der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch von insgesamt 30 Arbeitstagen hat.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 3-4; BGB §§ 133, 157; BHB § 151; ZPO § 138 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Minden (Entscheidung vom 24.04.2015; Aktenzeichen 2 Ca 1507/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 24. April 2015 - 2 Ca 1507/14 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 2.746,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2013 zu zahlen.

Die Kosten des arbeitsgerichtlichen Verfahrens trägt die Klägerin zu 10 Prozent, die Beklagte zu 90 Prozent.

Die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens trägt die Klägerin zu 37 Prozent, die Beklagte zu 63 Prozent.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über den Anspruch der Klägerin auf Abgeltung von Urlaub für das Kalenderjahr 2011.

Die Klägerin war bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 20. September 2010 in der Zeit vom 20. September 2010 bis zum Ablauf des 15. August 2012 als technische Zeichnerin und Konstrukteurin angestellt. Sie erbrachte ihre Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche. Das Bruttomonatsgehalt betrug 3.500,00 Euro.

Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist die Planung, die Projektierung, der Vertrieb und die Montage von Raumsystemen, Betriebseinrichtungen und Stahlbau aller Art sowie der dazu notwendigen Handelsware nebst allen damit verbundenen Geschäften (AG Bad Oeynhausen HRB 0000).

Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 20. September 2010 lautet auszugsweise wie folgt:

"[...]

§ 11

Urlaub

(1) Der Urlaubsanspruch der Mitarbeiterin beträgt 30 Werktage.

(2) Der Urlaub wird im Einvernehmen zwischen der Geschäftsleitung und der Mitarbeiterin festgelegt.

(3) Die Mitarbeiterin ist nur dann berechtigt, Urlaub anzutreten, wenn er zuvor einen schriftlichen Urlaubsantrag eingereicht hat, der von der Geschäftsleitung schriftlich genehmigt worden ist.

(4) Der Urlaub ist in jedem Fall während der Betriebsferien über Weihnachten und Neujahr zu nehmen.

(5) Im Austrittsjahr erhält die Mitarbeiterin 1/12 des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in diesem Jahr. Der gesetzliche Urlaub bleibt unberührt. Zuviel erhaltenes Urlaubsentgelt ist zurückzuzahlen.

[...]

§ 17

Sonstige Vereinbarungen/Ausschlussfrist

(1) Sämtliche finanziellen Ansprüche aus diesem Arbeitsverhältnis müssen spätestens innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach ihrem Entstehen schriftlich bei dem Vertragspartner geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung.

[...]"

Im Jahr 2010 gewährte die Beklagte der Klägerin keinen Urlaub. Sie versetzte die Klägerin - zuletzt unstreitig - nicht in die Lage, ihren Urlaubsanspruch für das Jahr 2010 wahrzunehmen. Es erfolgten keine Hinweise auf bestehende Urlaubsansprüche sowie darauf, dass der Urlaub zum Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungszeitraums verfallen könnte.

Die Klägerin beantragte unter dem 12. August 2011 schriftlich die Gewährung von Urlaub für die Dauer von 15 Arbeitstagen:

Der Urlaubsantrag wurde durch Unterzeichnung des Geschäftsführers der Beklagten genehmigt. Der Urlaub wurde sodann entgegen dem ursprünglich vorgesehenen Zeitraum einvernehmlich um einen Tag auf die Zeit vom 30. August 2011 bis zum Ablauf des 19. September 2011 verschoben und entsprechend gewährt. Insgesamt wurden der Klägerin im Jahr 2011 damit 21 Tage Urlaub gewährt.

Unter dem 27. September 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum Ablauf des 31. Oktober 2011 und bat die Klägerin, ihren Resturlaub in der Kündigungsfrist zu nehmen. Die Klägerin setzte sich gegen die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich zur Wehr.

Im Zeitraum vom 27. September 2011 bis zum Ablauf des 27. Januar 2012 war die Klägerin infolge Krankheit arbeitsunfähig.

Bis zum Ablauf des 31. März 2012 versetzte die Beklagte die Klägerin - zuletzt ebenfalls unstreitig - auch nicht in die Lage, den Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 wahrzunehmen. Es erfolgten keine weiteren Hinweise auf bestehende Urlaubsansprüche sowie darauf, dass der Urlaub zum Ende des Kalenderjahres oder des Übertragungsz...

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