Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang in der Insolvenz. Interessenausgleich mit Namensliste. Darlegung der „Vermutungsbasis” durch den Erwerber. „wesentliche” Änderung der Sachlage. Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz. zeitliche Begrenzung durch Geltendmachungsfrist. Zuordnung der Arbeitnehmer bei Betriebsteilveräußerung
Leitsatz (redaktionell)
1. Liegt bezüglich einer Kündigung ein Interessenausgleich mit Namensliste vor, so hat der Arbeitnehmer bei einer Betriebs(teil-)veräußerung im Insolvenzverfahren sowohl die Vermutung zu entkräften, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht wegen des Betriebsübergangs erfolgt ist (§ 128 Abs. 2 InsO) als auch dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist (§ 125 Abs. 1 S. 1 Nr. InsO).
2. Der Arbeitnehmer hat den Vollbeweis dafür zu erbringen, dass die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses nicht auf einem Sanierungs- bzw. Reorganisationskonzept beruht, sondern vielmehr ein Verstoß gegen § 613a BGB Abs. 4 S. 1 BGB gegeben ist.
3. Ein denkbarer Wiedereinstellungsanspruch besteht in der Insolvenz zeitlich begrenzt. Dessen Voraussetzungen müssen innerhalb der Frist des § 113 Abs. 1 S. 2 InsO entstanden sein.
Normenkette
BGB § 613a; InsO § 125 Abs. 1, § 128 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Minden (Urteil vom 15.11.2001; Aktenzeichen 3 (2) Ca 796/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgericht Minden vom 15.11.2001 (3 [2] Ca 796/01) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.271,01 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Obergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers von der Firma Gebr. S2. GmbH & Co. KG auf die Beklagte und über das Vorliegen eines Wiederstellungsanspruchs.
Der am 10.11.1948 geborene, verheiratete Kläger war bei der Firma Gebr. S2. GmbH & Co. KG, einer Möbelherstellerin aus B3. O1., bei der zuletzt noch 80 Arbeitnehmer beschäftigt waren, seit dem 01.01.1981 als kaufmännischer Angestellter, zuletzt als Vertriebsleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 8.000,00 DM tätig.
Durch Beschluß des Amtsgerichts Bielefeld vom 26.10.2000 (43 IN 589/00) ist Rechtsanwalt Dr. H4. S9. aus Bielefeld zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter und durch weiteren Beschluß vom 01.01.2001 (43 IN 589/00) auch zum endgültigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma Gebr. S2. GmbH & Co. KG (Insolvenzschuldnerin) bestellt worden.
Am 28.02.2001 haben der Insolvenzverwalter und die Beklagte, die von der Firma S7. Möbel GmbH aus H5. zur Fortführung der Produktion der Insolvenzschuldnerin gegründet worden ist, mit Wirkung vom 01.03.2001 einen Betriebsfortführungsvertrag, der nach Gewährung einer Landesbürgschaft am 14.09.2001 in einem Kaufvertrag der Aktiva der Insolvenzschuldnerin mündete (UR-Nr. 198/2001 des Notars Dr. U1. W2. aus B5.). In einer Vorbemerkung zu diesem Betriebsfortführungsvertrag heißt es u.a.:
… Zwischen Herrn Dr. S9. und der Fa. S7. Möbel GmbH, H5., schweben derzeit Verhandlungen mit dem Ziel, daß die Fa. S7. Möbel GmbH durch eine neugegründete Fortführungsgesellschaft Aktiva der Schuldnerin, Gebr. S2. GmbH & Co. KG, übernimmt, um sodann die Produktion der Fa. Gebr. S2. GmbH & Co. KG an der bisherigen Betriebsstätte, S5. 55, 32547 B3. O1., weiterzuführen.
Da derzeit eine verbindliche Zusage des Landes Nordrhein-Westfalen über die Gewährung einer Landesbürgschaft nicht vorliegt, hat die Fa. S7. Möbel GmbH für die Fortführungsgesellschaft noch nicht die erforderliche Finanzierung des Kaufs vom Insolvenzverwalter darstellen können. Da die Produktion der Fa. Gebr. S2. GmbH & Co. KG durch den Insolvenzverwalter per 28.02.2001 eingestellt werden soll, schließen die Parteien den vorliegenden Betriebsführungsvertrag, um zu erreichen, daß die Produkte der Fa. Gebr. S2. GmbH & Co. KG nach wie vor für den Markt verfügbar sind.
Die Fa. S7. Möbel GmbH hat zu diesem Zwecke am 26.02.2001 unter der Fa. „S2. Möbel GmbH” bereits eine Fortführungsgesellschaft gegründet, die Vertragspartner dieses Betriebsführungsvertrages sein soll, um dann die Aktivitäten in die endgültige Fortführung zu überführen …
In dem Betriebsfortführungsvertrag ist hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse bestimmt:
§ 3 Arbeitsverhältnisse
Der Insolvenzverwalter hat mit dem Betriebsrat der Schuldnerin unter dem 17.01.2001 einen Interessenausgleich vereinbart, der unter dem 25.01.2001 mit einem Nachtrag versehen worden ist. Dem Nachtrag vom 25.01.2001 ist eine Namensliste beigefügt worden, die als Anlage 2 zu diesem Vertrag genommen wird. Die Fa. S2. Möbel GmbH verpflichtet sich, mit allen Arbeitnehmern der Schuldnerin, die nicht auf der Namensliste, Anlage 2 dieses Vertrages, Erwähnung finden, für die Laufzeit dieses Betriebsführungsvertrages einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen. Noch nicht von der Schuldnerin bzw. dem Insolvenzverwalter in natura gewährter Urlaub ist diesen Arbeitnehmern, mit denen die Fa. S2. Möbel GmbH ein Arbeitsverhältnis ein...