Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen für Auslegung eines Tarifvertrags Fehlen einer Regelungslücke
Leitsatz (redaktionell)
Es sind strenge Anforderungen an eine vom Tarifwortlaut abweichende Auslegung zu berücksichtigen. Soweit der Kläger demgegenüber die Grundsätze der Vertragsauslegung anspricht und in diesem Zusammenhang das Fehlen einer Regelungslücke geltend macht, trifft dies weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht den maßgeblichen Ausgangspunkt.
Normenkette
ETV 13. ME
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 21.12.2011; Aktenzeichen 6 Ca 1867/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 21.12.2011 - 6 Ca 1867/11 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die beiderseits tarifgebundenen Parteien streiten über die Höhe der tariflichen Sonderzahlung nach dem Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teils des 13. Monatseinkommens der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW (ETV 13. ME) und in diesem Zusammenhang um die Auslegung eines für den Standort R1 geschlossenen Standortsicherungstarifvertrages. Dieser sieht für die Jahre 2010 bis 2014 die Absenkung tariflicher Einmalzahlungen (anteiliges 13. Monatseinkommen und tarifliches Urlaubsgeld) vor und enthält, soweit von Belang, folgende Regelung:
"3.1 Tarifliche Einmalzahlungen
3.1.1. Die tariflichen Ansprüche auf die betriebliche Sonderzahlung gemäß § 2 des einheitlichen Tarifvertrages über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens (ETV 13. ME) vom 18. Dezember 2003 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens werden im Jahr 2010 um 10 Prozent sowie im Jahr 2011 um 40 Prozent des jeweiligen individuellen Anspruchs abgesenkt.
3.1.2. Die tariflichen Ansprüche auf die zusätzliche Urlaubsvergütung gemäß § 14 Nr. 1. Des einheitlichen Manteltarifvertrages (EMTV) vom 18. Dezember 2003 für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens werden in den Jahren 2011 und 2012um jeweils 40 Prozent des jeweiligen individuellen Anspruchs abgesenkt.
....
3.2 Kompensation der reduzierten tariflichen Einmalzahlungen durch
zusätzliche Arbeitszeit
Die Beschäftigten können ab dem 01.07.2012 auf freiwilliger Basis zur Kompensation der Reduzierung der tariflichen Einmalzahlungen (betriebliche Sonderzahlung und zusätzliche Urlaubsvergütung) gemäß Ziffer 3.1. wertgleich wöchentlich 2,5 Stunden als zusätzliche unbezahlte Arbeitszeit leisten.
...
3.8 AT-/ÜT-Beschäftigte, leitende Angestellte
....
Die persönlichen Arbeitszeitkonsten dieser Beschäftigten werden während der Laufzeit dieser Vereinbarung wie folgt mit Minusstunden belastet:
2010 15 Minusstunden
2011 40 Minusstunden
2012 40 Minusstunden
2013 40 Minusstunden
2014 20 Minusstunden
Soweit außertarifliche bzw. übertarifliche Beschäftigte Anspruch auf Zahlung eines Bonus haben, wird der Bonus um 40 % des individuellen regelmäßigen Bruttomonatsentgelts abgesenkt.
Zur Kompensation der Reduzierung der Bonuszahlung können ab dem 01.07.2012 auf freiwilliger Basis wertgleich wöchentlich 2,5 Stunden als zusätzliche unbezahlte Arbeitszeit geleistet werden.
....
9. Inkrafttreten und Laufzeit
Dieser Standortsicherungstarifvertrag tritt am 01.10.2010 in Kraft und endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf, am 30.06.2014."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Kläger eingereichte Unterlage (Blatt 5-11 d.A.) Bezug genommen
Konkret betrifft der vorliegende Rechtsstreit die Frage, ob die im Standortsicherungstarifvertrag vorgesehene Absenkung der tariflichen Leistungen - dem Tarifwortlaut und dem Standpunkt des Klägers entsprechend - um den dort genannten Prozentsatz "des jeweiligen individuellen Anspruchs" zu erfolgen hat, oder ob - wie es dem Standpunkt der Beklagten entspricht - der tariflich individuell maßgebliche Prozentsatz der Einmalzahlung um den im Standortsicherungstarifvertrag genannten Prozentsatz zu kürzen ist. Der Kläger errechnet für das Jahr 2010 auf der Grundlage der an sich zu beanspruchenden tariflichen Leistung von 55 % eines Monatsverdienstes und unter Berücksichtigung der im Standortsicherungstarifvertrag vorgesehen Kürzung um 10 % seines individuellen Anspruchs (5,5 %) einen verbleibenden Anspruch von 49,5 % eines Monatseinkommens. Unter Zugrundelegung des maßgeblichen Bruttomonatsverdienstes von 2678,50 € beansprucht der Kläger damit einen Betrag von 1.325,86 €. Demgegenüber errechnet die Beklagte den Anspruch des Klägers in Höhe von 55 - 10 = 45 % und hat einen Betrag von 1205,32 € ausgezahlt. Der Differenzbetrag von 120,54 € ist Gegenstand der Klageforderung.
Zur Begründung ihrer Auffassung beruft sich die Beklagte auf einen vom Tarifwortlaut abweichenden übereinstimmenden Regelungswillen der Tarifparteien und macht geltend, der wahre Regelungswille der Tarifparteien finde hinreichenden Anklang in der in Ziff. 3.2 des Standorttarifvertrages vorgesehen Regelung, nach welcher die Abse...