Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 24.01.1996; Aktenzeichen 2 Sa 1272/95) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 24.01.1996 – 1 Ca 1275/96 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin macht mit ihrer am 09.05.1995 beim Arbeitsgericht Bielefeld eingegangenen Klage die Sozialwidrigkeit der fristgemäßen Kündigung der Beklagten vom 25.04.1995 zum 31.05.1995 geltend und verlangt Weiterbeschäftigung.
Die Beklagte stützt die Kündigung auf folgende krankheitsbedingte Fehlzeiten:
1994:
26.09.–28.09. |
3 Arbeitstage |
fieberhafter Infekt |
25.10.–28.10 |
4 Arbeitstage |
Gastro-Enteritis |
14.11. |
1 Arbeitstag |
Parodontitis |
16.12. |
1 Arbeitstag |
Gastritis |
19.12.–27.12. |
6 Arbeitstage |
HWS-Syndrom |
insgesamt |
15 Arbeitstage |
|
1995:
13.02.–22.03. |
28 Arbeitstage |
Gastritis, Occipitalneuralgie, Hörsturz, Vertigo, Sinusitis Max |
Der Betriebsrat widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 19.04.1995.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten rechtfertigten keine negative Prognose. Der Hörsturz sei ausgeheilt.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Vielzahl der krankheitsbedingten Ausfalltage führten zu der Befürchtung, daß die Klägerin auch in Zukunft in ähnlichem Umfang krankheitsbedingt ausfallen werde. Die mit den Arbeitsunfähigkeitszeiten verbundenen Lohnfortzahlungskosten beeinträchtigten in unzumutbarer Weise ihre betrieblichen Interessen. Die alleinerziehende Klägerin mit zwei Kindern sei aufgrund ihrer persönlichen Situation und ihres Einsatzes in der Wechselschicht überfordert und daher anfällig für weitere Erkrankungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat antragsgemäß durch Urteil vom 24.01.1996 festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25.04.1995 nicht aufgelöst wurde und die Beklagte bis zur rechtskräftigen Entscheidung als Montagearbeiterin weiterzubeschäftigen sei. Auf seine Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, der Fehlzeitenzeitraum sei zu kurzgegriffen, um eine negative Prognose zu rechtfertigen. Bei derart häufigen krankheitsbedingten Ausfallzeiten verbunden mit hohen Lohnfortzahlungskosten müsse es ihr möglich sein, kurzfristig entsprechende Personalentscheidungen treffen zu können. Angesichts der kurzen Beschäftigungsdauer und im Hinblick auf das junge Lebensalter der Klägerin sei es ihr nicht zuzumuten, zwei Jahre abzuwarten. Sie habe erst während des Prozesses von den Krankheitsursachen erfahren. Die Erkrankungen der Klägerin seien auf Überbeanspruchung durch berufliche Tätigkeit, Wechselschicht, Hausarbeit und Kinderbetreuung zurückzuführen. Insbesondere die Erkrankungen an Gastritis, HWS-Syndrom, Hörsturz mit begleitenden Symptomen und Occipitalneuralgie seien Folge von nervlichen bzw. körperlichen Beanspruchungen und Belastungen. Sie befürchte daher Wiederholungsgefahr und bitte um Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld abzuändern und die Klage abzuändern.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und bekräftigt ihre Auffassung, daß der kurze Zeitraum von elf Monaten keine Indizwirkung für eine negative Prognose entfalte. Dies ergäbe sich zweifelsfrei aus den erstinstanzlich eingereichten Bescheinigungen der behandelnden Ärzte. Das Arbeitsgericht habe daher zu Recht aufgrund des unsubstantiierten Vortrags der Beklagten zu ihrer angeblichen Überbeanspruchung keinen Beweis erhoben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Wegen der Formalien wird auf das Protokoll der Berufungsverhandlung vom 04.12.1996 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
I
Die Berufung der Beklagten ist auch bezüglich der von ihr verfolgen Abweisung des Weiterbeschäftigungsantrags gemäß § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zulässig, obwohl sie sie nicht im einzelnen dargelegt hat, aus welchen tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen sie die angegriffene Entscheidung in diesem Punkt für unrichtig hält. Da es sich bei dem Feststellungsantrag einerseits und dem Antrag auf Weiterbeschäftigung andererseits um zwei unterschiedliche Streitgegenstände handelt, muß sich die Berufungsbegründung mit beiden Ansprüchen auseinandersetzen (BAG vom 06.12.1994 – 9 AZN 337/94 –; BGH vom 29.11.1990 – 1 ZR 45/89 – NJW 1991, 1683, 1684). Diese Anforderungen können aber dann nicht gestellt werden, wenn wie im vorliegenden Fall der Anspruch auf Weiterbeschäftigung unmittelbar vom Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängt (BAG vom 02.04.1987 – 2 AZR 418/86 – NZA 1987, 808, 809 sowie BAG NZA 1988, 37 und BAG NJW 1990, ...