Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung eines im Berufungsverfahren geschlossenen gerichtlichen Vergleichs wegen arglistiger Täuschung. Voraussetzungen für die wirksame Anfechtung eines gerichtlichen Vergleichs wegen arglistiger Täuschung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Rechtsstreit ist nur dann fortzusetzen, wenn der abgeschlossene gerichtliche Vergleich unwirksam ist.
2. Ein Vergleich kann wegen arglistiger Täuschung angefochten werden.
3. a) Dies setzt eine Täuschung durch positives Tun oder Unterlassen zum Zwecke der Erregung eines Irrtums voraus; die Täuschung durch Vorspiegelung von Tatsachen muss sich auf objektiv nachprüfbare Umstände beziehen und erfordert Vorsatz bezüglich der Täuschung, der Irrtumserregung, der Kausalität und der Arglist.
b) Der Handelnde muss die Unrichtigkeit seiner Angaben kennen oder für möglich halten. Bedingter Vorsatz genügt; er ist auch gegeben, wenn der Handelnde ins Blaue hinein unrichtige Behauptungen aufstellt.
Normenkette
BGB § 123 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Aktenzeichen 1 Ca 1289/11) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren durch den gerichtlichen Vergleich vom 05.04.2012 beendet war.
Die Beklagte trägt die weiteren durch die Anfechtung des Vergleichs entstandenen Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die wirksame Anfechtung eines im Berufungsverfahren abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs.
Der 1956 geborene Kläger, der mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehindert ist, war seit März 1979 bei der Beklagten als Geld- und Werttransportfahrer zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt etwa 3.000,-- Euro beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand Anwendung der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen.
Krankheitsbedingt war der Kläger etwa ab Mitte 2010 nicht mehr in der Lage, als Geld- und Werttransportfahrer zu arbeiten. Durch gerichtlichen Vergleich vom 22.12.2010 (Arbeitsgericht Bochum, Az. 5 Ca 2445/10) verständigten sich die Parteien im Rahmen eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung darüber, dass der Kläger ab Anfang 2011 als Mitarbeiter in der Einsatzleitung seine Arbeitsleistung fortsetzte.
Nach einem einwöchigen Einsatz des Klägers im Monat Juni 2010 in der Nachtschicht teilte dieser unter Beifügung eines ärztlichen Gutachtens der Beklagten mit, dass er aus gesundheitlichen Gründen außerstande sei, Nachtarbeit zu leisten. Zwischenzeitlich ist unstreitig, dass der Kläger gesundheitlich an der Ableistung von Nachtarbeit gehindert ist.
Nach Zustimmung des Integrationsamtes kündigte die Beklagte durch Schreiben vom 28.06.2011 das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2011. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger durch rechtzeitig erhobene Kündigungsschutzklage gewehrt.
Mit Urteil vom 21.10.2011 hat das erstinstanzliche Gericht die Klage abgewiesen mit der wesentlichen Begründung, dass der Kläger zur Verrichtung der geschuldeten Arbeitsleistung, zu der auch Nachtarbeit gehört, auf Dauer nicht mehr in der Lage sei.
Der Kläger hat gegen das ihm am 21.11.2011 zugestellte Urteil am 06.12.2011 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 18.01.2012 begründet.
In seiner Berufungsbegründung hat der Kläger u. a. vorgetragen, er sei in der Lage, die vertraglich geschuldeten Leistungen etwa im Bereich des Geldzählens, in der Einsatzleitung, bei der Erstellung der Tourenpläne und bezüglich Eintragungen im Computersystem zu erbringen. Der Beklagten seien auch organisatorische Maßnahmen zuzumuten, aufgrund derer er tagsüber mit den gleichen wie in der Nacht anfallenden Tätigkeiten beschäftigt werden könnte. Bei der Beklagten finde auch tagsüber durchgängig ein Tourendienst statt.
Der Kläger hat beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 21.10.2011 zum Aktenzeichen 1 Ca 1289/11 abzuändern,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 28.06.2011 nicht aufgelöst worden ist,
die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Vortrag des Klägers, er könne eine abweichende Leistung in anderen Bereichen erbringen, sei unsubstantiiert. Soweit er behaupte, in der Lage zu sein, eine Tätigkeit in der Geldbearbeitung auszuüben, sei dies eine reine Schutzbehauptung. Die Einsatzleiter und Schichtleiter gehörten dem Angestelltenbereich an mit einer monatlichen fixen Vergütung von 3.142,-- Euro. Auch könnten die in der Nachtschicht geleisteten Tätigkeiten in der Einsatzleitung eben nur zu den angegebenen Nachtzeiten erbracht werden. Die Touren des Folgetages würden erst dann festgelegt, wenn alle Touren eingetroffen und alle Änderungen eingegangen seien. Die Beklagte hat den Kläger aus gesundheitlichen Gründen für nicht in der Lage gehalten, die mehrere Kilogramm schweren Safebags aus Geldbehältern zu entnehmen und zum Auszählen an den Einzelarbeitsplatz zu tragen.
Im Termin der Berufungsverhandlung am 05...