Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Klage. Abfindung. ermäßigte Lohnsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein ausgeschiedener Arbeitnehmer kann vor dem Arbeitsgericht klageweise geltend machen, dass eine gezahlte Abfindung mit der ermäßigten Lohnsteuer nach § 39 b EStG abzurechnen ist.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a; EStG §§ 34, 39b
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Entscheidung vom 30.08.2000; Aktenzeichen 3 Ca 1139/00) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 30.08.2000 – 3 Ca 1139/00 – wird kostenfällig mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger rügt, dass die Beklagte die ihm gezahlte Abfindung nicht mit einem geringeren Lohnsteuerabzug behandelt habe und fordert die Nachzahlung eines entsprechenden Nettobetrages.
Der Kläger war langjährig bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt und schied zum 31.03.2000 betriebsbedingt aus. Die Beklagte gewährte ihm jedoch „als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und zur Wahrung des sozialen Besitzstandes” eine Abfindung in Höhe von 135.000,00 DM, die mit dem Tage des Ausscheidens fällig wurde. Mit der Lohnabrechnung für März 2000 wurde auch die Abfindung dahin abgerechnet, dass ein Teilbetrag von 24.000,00 DM lohnsteuerfrei blieb und der Rest von 111.000,00 DM mit dem vollen Lohnsteuersatz belastet wurde. Der Kläger wirft der Beklagten vor, dass der ermäßigte Steuersatz nach § 34 EStG hätte zum Zuge kommen müssen. Nach einer von ihm alternativ vorgelegten Abrechnung hätten ihm, so der Kläger, statt der tatsächlichen Nettozahlung von 94.112,00 DM 107.296, 22 DM zufließen müssen.
Mit seiner am 24.05.2000 vor dem Arbeitsgericht Hamm erhobenen Klage hat er geltend gemacht, dass die von der Beklagten vorgenommene Abrechnung dazu führe, dass er im Rahmen der Einkommenssteuerveranlagung erst wesentlich später in den Genuss der gesetzlich möglichen Steuerermäßigung komme. Es gebiete die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht, dass die Beklagte im Rahmen des Lohnsteuerabzugs von dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 EStG Gebrauch mache.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, über die dem Kläger gewährte Abfindung von 135.000,00 DM dergestalt abzurechnen, dass der nach Abzug steuerfreier 24.000,00 DM verbleibende Abfindungsbetrag von 111.000,00 DM im Lohnsteuerabzugsverfahren dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 EStG unterworfen wird;
- hilfsweise,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.184,22 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 21.0.2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, dass der Kläger Anspruch darauf habe, dem ermäßigten Steuersatz des § 34 EStG unterworfen zu werden. Sie sei jedoch in keinem Falle dazu verpflichtet, die Lohnsteuer nach der genannten Vorschrift zu berechnen, zumal die Außenprüferin des zuständigen Finanzamtes ausdrücklich von der Anwendung des ermäßigten Lohnsteuersatzes abgeraten habe. Im Übrigen hat die Beklagte die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt.
Das Arbeitsgericht hat durch sein am 30.08.2000 verkündetes Urteil die Klage als unzulässig auf Kosten des Klägers abgewiesen.
In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass es sich im vorliegenden Falle um eine steuerrechtliche Streitigkeit handele, für deren Entscheidung die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig seien. Dies verdeutliche auch die Vorschrift des § 42 e EStG. Der Kläger habe nach dieser Vorschrift die Möglichkeit gehabt, eine verbindliche Auskunft über die lohnsteuerliche Behandlung der Abfindung von dem zuständigen Betriebsstättenfinanzamt zu erlangen.
Wegen der Ausführungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen das ihm am 20.09.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06.10.2000 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel zugleich begründet. Er meint, das Arbeitsgericht habe sich zu Unrecht für unzuständig gehalten, weil es hier um die Frage gehe, ob die Beklagte aus Gründen der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht gehalten gewesen sei, entweder von sich aus eine Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG einzuholen oder aber die gebotene Möglichkeit einer verminderten Lohnsteuerpflicht zu nutzen. In diesem Zusammenhang hat der Kläger im Berufungstermin auch auf die Vorschrift des § 39 b Abs. 3 S. 9 EStG hingewiesen.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach seinen Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und betont, dass ihr die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 EStG gar nicht möglich gewesen sei wegen der Unwägbarkeiten über das insgesamt beim Kläger und seiner Ehefrau zu versteuernde Einkommen. Die Anwendung der Fünftelungsregelung nach § 34 Abs. 1 S. 2 EStG setze im Übrigen einen unwiderruflichen Antrag des Klägers voraus. Mit Rech...