Die Revision wird zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderkündigungsschutz wegen Schwerbehinderung. Anerkennungsantrag. Gleichstellungsantrag. rechtzeitige Unterrichtung des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Beruft sich der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber binnen eines Monats nach Zugang der Kündigung unter Hinweis auf einen vorangehend gestellten Gleichstellungsantrag auf den Sonderkündigungsschutz wegen Schwerbehinderung, so genügt diese Mitteilung zur Wahrung der Rechte auch dann, wenn der Arbeitnehmer nicht die beantragte Gleichstellung, sondern – aufgrund eines nicht mitgeteilten vorangehenden Verschlimmerungsantrags – die Anerkennung als Schwerbehinderter erlangt.
Normenkette
SGB IX § 85 ff.
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 14.09.2004; Aktenzeichen 3 Ca 796/04 L) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 14.09.2004 – 3 Ca 796/04 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage wendet sich die – im Zuge des Rechtsstreits als Schwerbehinderte anerkannte – Klägerin, welche seit dem Jahre 1978 als kaufmännische Angestellte im Betrieb der Beklagten beschäftigt ist, gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch fristlose und vorsorglich fristgerechte Kündigung vom 25.03.2004, zugegangen am 26.03.2005.
Mit ihrer Klageschrift vom 05.04.2004, der Beklagten zugestellt am 13.04.2004, hat die Klägerin u.a. geltend gemacht, sie sei „schwerbehindert und verfüge über einen entsprechenden Schwerbehindertenausweis über einen GdB von 40 v.H.”, des weiteren habe sie am 23.03.2004 beim Arbeitsamt einen Gleichstellungsantrag gestellt. Mit Schreiben vom 27.04.2004 teilte die Klägerin sodann ergänzend mit, auf der Grundlage eines Verschlimmerungsantrages vom 26.02.2004 sei ihr mit Bescheid vom 22.04.2004 nunmehr mit Wirkung von diesem Tage ein GdB von 50 zuerkannt worden. Über den Gleichstellungsantrag der Klägerin vom 23.03.2004 ist im Hinblick hierauf eine behördliche Entscheidung nicht getroffen worden.
Durch Urteil vom 14.09.2004 (Bl. 85 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht – soweit für das Berufungsverfahren von Belang – antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die angegriffene Kündigung weder fristlos noch fristgerecht beendet worden sei. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die ausgesprochene Kündigung scheitere an der fehlenden vorangehenden Zustimmung des Integrationsamtes. Bereits in der Klageschrift habe die Klägerin die Beklagte von ihrer Schwerbehinderteneigenschaft in Kenntnis gesetzt, wobei es unerheblich sei, dass die Klägerin lediglich ihren Gleichstellungsantrag, nicht hingegen ihren Verschlimmerungsantrag erwähnt bzw. diesen erst nach Ablauf der Monatsfrist mitgeteilt habe. Maßgeblich sei die Offenbarung der Schwerbehinderung, ohne dass es auf den Unterschied von Gleichstellungsantrag oder Anerkennung der Schwerbehinderung ankomme. Allein der Umstand, dass die Klägerin ihren Gleichstellungsantrag erst kurz vor Ausspruch der drohenden Kündigung gestellt habe, könne nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, die Klägerin habe nicht rechtzeitig ihre Rechte auf den schwerbehinderungsrechtlichen Sonderkündigungsschutz geltend gemacht, Gegenstand der Mitteilung der Klageschrift sei allein der Gleichstellungsantrag der Klägerin gewesen, über welchen jedoch keine Entscheidung getroffen sei, auf den vorangehenden Verschlimmerungsantrag und die hierauf beruhende Anerkennung als Schwerbehinderte habe die Klägerin hingegen erst nach mehr als einem Monat nach Zugang der Kündigung hingewiesen. Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils mache es durchaus einen wesentlichen Unterschied, ob der Arbeitnehmer innerhalb der Monatsfrist auf einen Gleichstellungs- oder einen Anerkennungsantrag zur Feststellung der Schwerbehinderung hinweise. Abgesehen davon, dass hierfür unterschiedliche Behörden zuständig und unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen maßgeblich seien, müsse insbesondere dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes Bedeutung beigemessen werden. Anders als bei Antrag auf Anerkennung der Schwerbehinderung erfordere nämlich die positive Entscheidung über einen Gleichstellungsantrag, dass der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers durch Kündigung bedroht sei. Letzteres sei aber – für die Beklagte ersichtlich – in Bezug auf die Klägerin zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen. Dementsprechend habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin die mitgeteilte Gleichstellung ohnehin nicht würde erlangen können. Unter diesen Umständen müsse aber davon ausgegangen werden, dass die Klägerin das Recht, sich auf den Sonderkündigungsschutz des Schwerbehindertenrechts zu berufen, wegen Versäumung der Monatsfrist verloren habe.
Die Bekl...