Die Revision wird zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnanspruch für ein Betriebsratsmitglied zur Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung. Erforderlichkeit eines Seminars über Mobbing. aktueller Schulungsbedarf. konkrete betriebliche Konfliktsituation. Anforderungen an Darlegungslast des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Bei der Überprüfung der Erforderlichkeit der Teilnahme an einem Mobbingseminar nach § 37 Abs. 6 BetrVG kann auf die Darlegung einer betrieblichen Konfliktlage im Sinne eines aktuellen betriebsbezogenen Anlasses nicht verzichtet werden.
Insoweit genügen allerdings hinreichende Anhaltspunkte, erste Anzeichen dafür, dass Mitarbeiter einer Mobbingsituation ausgesetzt sind (im Anschluss an BAG, Beschluss vom 15.01.1997 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 118).
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 2, 6, § 40
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Urteil vom 12.04.2005; Aktenzeichen 1 Ca 20/05) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteils des Arbeitsgerichts Rheine vom 12.04.2005 – 1 Ca 20/05 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Arbeitsentgeltansprüche der Klägerin für die Zeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung.
Im Betrieb der Beklagten, einem Automobilhersteller, sind über 1000 Mitarbeiter beschäftigt.
Die Klägerin, geboren am 26.03.1954, verheiratet, ein Kind, ist seit dem 02.11.1983 im Betrieb der Beklagten als gewerbliche Mitarbeiterin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 3.613,87 EUR beschäftigt. Sie ist Mitglied des aus fünfzehn Mitgliedern bestehenden Betriebsrats und in dieser Eigenschaft von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt.
Mit Schreiben vom 08.07.2004 (Bl. 6 d.A.) teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass er in seiner Sitzung vom 07.07.2004 beschlossen habe, die Klägerin sowie die Betriebsrätin D5xxx R3xxxxx zu einem vom DGB Bildungswerk e.V. veranstalteten Seminar „Mobbing Workshop” in der Zeit vom 27.09.2004 bis zum 29.09.2004 in Sprockhövel zu entsenden. Nach dem beigefügten Themenplan (Bl. 8 d.A.) sah das Seminar folgende Themen vor:
- „Auffrischen des Basiswissens (Diagnosestellung Mobbing; Abgrenzung Konflikt/Mobbing
- Erfahrungsaustausch
- Handlungsmöglichkeiten von Betriebsrat und Geschäftsführung zur Prävention
- Durchsetzung bzw. Überzeugungsarbeit zur Etablierung einer Betriebsvereinbarung „Mobbing”
- Betriebsvereinbarung in der Praxis (Bewährtes, Schwachstellen, Entwicklungen)
- Handlungsmöglichkeiten bei akutem Mobbing
- Beratung von Betroffenen
- Konfliktgespräche mit allen Beteiligten
- Szenarien zur Beendigung von Mobbing
- Bearbeitung von Fällen aus der betrieblichen Praxis der Teilnehmenden
- Neueste rechtliche Aspekte”
Mit Schreiben vom 13.07.2004 (Bl. 20 d.A.) lehnte die Beklagte die Seminarteilnahme ab, weil eine betriebliche Notwendigkeit nicht gegeben und eine betriebliche Konfliktlage nicht dargelegt sei. Der Betriebsrat erwiderte darauf mit Schreiben vom 14.07.2004 (Bl. 9 d.A.), dass er die Seminarteilnahme für erforderlich halte, er habe mündlich mehrfach in der Vergangenheit verschiedene Situationen von betrieblichem Mobbing, vor allem durch betriebliche Vorgesetzte, dargelegt, auch im Betrieb der Arbeitgeberin in R1xxxx gebe es Mobbing, hiervor sollte man nicht die Augen verschließen und auch im Betrieb der Arbeitgeberin dem Problem mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Beklagte bat den Betriebsrat daraufhin mit Schreiben vom 19.07.2004 (Bl. 21 d.A.) um Bekanntgabe der Mitarbeiter, die betrieblichem Mobbing ausgesetzt seien sowie um Namen der Vorgesetzten. Dieses Schreiben wurde vom Betriebsrat in der Folgezeit nicht beantwortet.
Während die Betriebsrätin R3xxxxx aufgrund einer Erkrankung an dem streitigen Seminar nicht teilnehmen konnte, besuchte die Klägerin das Seminar in der Zeit vom 27. bis 29.09.2004.
Durch die Teilnahme sind Seminargebühren in Höhe von 657,72 EUR entstanden. Die Klägerin verauslagte Fahrtkosten in Höhe von 91,80 EUR, die von der Beklagten nicht erstattet wurden.
Ferner kürzte die Beklagte das Monatseinkommen der Klägerin für drei Tage um 629,02 EUR brutto.
Mit Schreiben vom 15.10.2004 (Bl. 4 d.A.) machte die IG Metall für die Klägerin diese Beträge bei der Arbeitgeberin vergeblich geltend.
Mit der am 05.01.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangte die Klägerin daraufhin die Zahlung des gekürzten Arbeitsentgelts in Höhe von 629,02 EUR brutto.
Gleichzeitig machte sie ihre Freistellung von den Seminarkosten in Höhe von 657,72 EUR sowie die Zahlung von Fahrtkosten von 91,80 EUR geltend – 1 BV 1/05 Arbeitsgericht Rheine –.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihre Teilnahme am Seminar vom 27. bis 29.09.2004 sei insgesamt erforderlich gewesen. Der Betriebsrat habe die Teilnahme an dieser Schulung beschlossen, da sich immer wieder Mitarbeiter wegen Mobbingproblemen an den Betriebsrat wie auch an den Betriebsausschuss gewandt hätten. Der Betriebsrat habe der Beklagten auch mündlich mehrfach in der Vergangenheit verschiedene Situationen von betrieblichem Mobbing, vor allem auch durch bet...