Entscheidungsstichwort (Thema)

Benachteiligung wegen des Alters durch eine Höchstaltersgrenze für die Einstellung in ein Arbeitsverhältnis des öffentlichen Dienstes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der öffentliche Arbeitgeber schuldet eine Entschädigung nach § 15 Abs.2 AGG, wenn er eine Arbeitsstelle im allgemeinen Vollzugsdienst für einen Bewerberkreis „20 – 25 Jahre alt” ausschreibt und einen 28jährigen Bewerber zurückweist, weil man aufgrund der geplanten späteren Übernahme in das Beamtenverhältnis an die in der Stellenausschreibung genannte Altersgrenze gebunden sei.

2. Die Benachteiligung des Bewerbers wegen seines Alters ist nicht nach § 10 Satz 3 Nr.3 AGG aus den Erwägungen zulässig, mit denen die Höchstaltersgrenze für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis gerechtfertigt wird (Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand mit Bezug der beamtenrechtlichen Versorgung):

  1. Nach der Stellenausschreibung soll ein Arbeitsverhältnis und kein Beamtenverhältnis begründet werden. Das Arbeitsverhältnis eröffnet keinen Zugang zu einer beamtenrechtlichen Versorgung.
  2. Die Absicht, der Begründung eines Arbeitsverhältnisses zu einem späteren Zeitpunkt (bei positiver Entwicklung) eine Übernahme in das Beamtenverhältnis folgen zu lassen, führt nicht dazu, dass die Ungleichbehandlung des Bewerbers objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel i.S.v. § 10 AGG gerechtfertigt ist. Ein vorgeschaltetes Arbeitsverhältnis ist laufbahnrechtlich nicht Voraussetzung für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst als Justizvollzugsobersekretäranwärter (Beamter auf Widerruf).
 

Normenkette

AGG §§ 15, 10

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Urteil vom 14.08.2007; Aktenzeichen 2 Ca 542/07)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 14.08.2007 – 2 Ca 542/07 – wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung nach § 15 AGG wegen altersbedingter Benachteiligung in Anspruch, nachdem das beklagte Land seine Bewerbung um eine Einstellung als Mitarbeiter für den allgemeinen Vollzugsdienst am 08.01.2007 unter Hinweis auf die beabsichtigte spätere Übernahme in ein Beamtenverhältnis wegen seines zu weit fortgeschrittenen Alters von 28 Lebensjahren zurückgewiesen hat.

Der Kläger ist am 04.01.1979 geboren. Er absolvierte die Grundschule, die Gesamtschule mit dem Abschluss Sekundarstufe I1 / Fachoberschulreife und die Kaufmannschule I1 in H1 – Berufsschule – mit dem Abschluss der Sekundarstufe II. Wegen weiterer Einzelheiten des beruflichen Werdegangs des Klägers wird auf den vorgelegten Lebenslauf verwiesen (Blatt 3, 4 Beiakte).

In der zweiten Dezemberhälfte 2006 inserierten die B6 Justizvollzugsanstalten wie folgt in der Zeitung:

„…

Die B6 Justizvollzugsanstalten

suchen mehrere

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

für den allgemeinen Vollzugsdienst

Wir erwarten:

  • mind. Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung

    oder Realschulabschluss/Abitur

  • 20 bis 25 Jahre alt
  • körperliche Fitness
  • sicheres Auftreten
  • Verantwortungsbewusstsein
  • Gute PC-Kenntnisse (Word, Excel)
  • Bereitschaft zum Einsatz in allen ostwestfälischen Justizvollzugsanstalten

Wir bieten:

  • einen sicheren, nicht alltäglichen Arbeitsplatz
  • ein vielseitiges interessantes und herausforderndes Aufgabengebiet
  • ein gutes Arbeitsklima und die gezielte Förderung Ihrer beruflichen Entwicklung leistungsgerechte Bezahlung eine spätere Übernahme in das Beamtenverhältnis ist vorgesehen

… „

Stellenausschreibungen für den allgemeinen Vollzugsdienst (mittlerer Dienst) fanden sich auch im Internetportal des Justizministeriums NRW. Ausweislich eines von dem Kläger vorgelegten Ausdrucks vom 26.12.2006 suchten u. a. die Justizvollzugsanstalt B4-B5 I1, die Justizvollzugsanstalt B4-S2, die Justizvollzugsanstalt H2 und die Justizvollzugsanstalt W2 I1 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den allgemeinen Vollzugsdienst (mittlerer Dienst). Zum Stichwort „Bewerberkreis” wird dort angegeben „Bewerber/innen von 20 bis 26 Jahren”, „Bewerberinnen/Bewerber von 20 bis 25 Jahren”, „Bewerber/innen im Alter von 20 bis 26 Jahren” und „Bewerber/innen von 20 bis 27 Jahren”.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Kopien der Zeitungsanzeige und der Stellenausschreibungen laut „NRW-Justizportal: Justiz-online” Bezug genommen (Bl. 19 GA, Bl. 41 GA).

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 03.01.2007 bei der Justizvollzugsanstalt B4-B5 I1. Auf die vorgelegte Kopie des Bewerbungsschreibens wird Bezug genommen (Bl. 1 Beiakte). Mit Schreiben vom 08.01.2007 sandte der Leiter der JVA B4-B5 I1 die Bewerbungsunterlagen an den Kläger zurück. Im Anschreiben heißt es auszugsweise (vollständiger Text: Kopie Bl. 20 GA):

„…

für Ihr Interesse an einer Einstellung bedanke ich mich.

Aufgrund der geplanten späteren Übernahme in der Beamtenverhältnis bin ich leider an die angegebene Altersgrenze gebunden, so dass ich Ihre Bewerbung nicht berücksichtigen kann.

… „

Hintergrund für die ausgewiesenen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge