Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorzeitige Beendigung der Elternzeit “wegen der Geburt eines weiteren Kindes„. Unbegründete Feststellungsklage einer Verwaltungsangestellten bei Antragstellung während der Schwangerschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch auf vorzeitige Beendigung der Elternzeit gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG “wegen der Geburt eines weiteren Kindes„ besteht nicht bereits im Zeitpunkt einer erneuten Schwangerschaft in Erwartung der Geburt eines weiteren Kindes.
2. Der im Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG verwendete Begriff “Geburt„ bezeichnet nicht schon die Schwangerschaft der Arbeitnehmerin. Geburt bedeutet Niederkunft und Entbindung und bezeichnet damit ein bestimmtes Ereignis.
3. Die Präposition “wegen„ stellt ein ursächliches Verhältnis her und drückt damit einen Bezug aus. “Wegen der Geburt eines weiteren Kindes„ erfolgt die Verkürzung der Elternzeit, wenn die Geburt ursächlich ist und ein Bezug zwischen der Entscheidung und dem Ereignis der Niederkunft besteht.
Normenkette
BEEG § 16 Abs. 3 Sätze 2-3; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Münster (Entscheidung vom 22.06.2017; Aktenzeichen 1 Ca 268/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 22.06.2017 - 1 Ca 288/17 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die vorzeitige Beendigung der Elternzeit der Klägerin und Vergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der TVöD-VKA anwendbar. Die Klägerin wird aus der Entgeltgruppe 9 Stufe 3 TVöD-VKA vergütet.
Nach der Geburt ihres ersten Kindes beantragte sie Elternzeit für die Zeit vom 11.10.2015 bis zum 10.10.2017, die von der Beklagten mit Schreiben vom 03.11.2015 (Bl. 4 d. A.) bewilligt wurde.
Auf der Grundlage einer Zusatzvereinbarung vom 07.10.2016 (Bl. 5 d. A.) wurde sie während der Elternzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden beschäftigt.
Mit Schreiben vom 05.10.2016 (Bl. 6 d. A.) beantragte sie im Hinblick auf eine erneute Schwangerschaft die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zum 12.10.2016. Der Antrag ging der Beklagten per E-Mail am 05.10.2016 und per Post am 10.10.2016 zu.
Die Beklagte lehnte die vorzeitige Beendigung der Elternzeit mit Schreiben 04.11.2016 (Bl. 7 d. A.) aus betrieblichen Gründen ab.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.11.2016 (Bl. 8 - 10 d. A.) vertrat die Klägerin die Ausfassung, ihr Anspruch auf eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit folge aus § 16 Abs. 3 BEEG. Sie bot ihre Arbeitskraft für eine Vollzeitbeschäftigung an und verlangte eine entsprechende Vergütung.
Mit Schreiben vom 10.02.2017 zeigte sie der Beklagten die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zum 31.03.2017 an, da sie sich ab dem 01.04.2017 in Mutterschutz befand. Die Geburt ihres zweiten Kindes war für den 12.05.2017 errechnet.
Mit ihrer am 23.12.2016 bei dem Arbeitsgericht Münster eingegangenen Klage hat die Klägerin zunächst die Feststellung, dass ihre Elternzeit zum 12.10.2016 geendet hat, sowie die Verurteilung der Beklagten zu ihrer Beschäftigung mit 39 Wochenstunden und Zahlung der Vergütung auf der Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung nach der Entgeltgruppe 9 TVöD-VKA begehrt.
Sie hat mit folgender Begründung die Auffassung vertreten, sich in der streitgegenständlichen Zeit vom 12.10.2016 bis zum 31.03.2017 nicht mehr in Elternzeit befunden zu haben:
Der Wortlaut des § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG "wegen der Geburt" lasse den Schluss zu, dass nicht an die tatsächliche Geburt angeknüpft werde, sondern an die vorausgehende Schwangerschaft. Die Geburt sei nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht als zeitlich fixer Anknüpfungspunkt anzusehen. Es finde sich gerade nicht die Formulierung "ab der Geburt" oder "mit der Geburt" oder "nach der Geburt".
Nichts anderes folge aus einer systematischen Auslegung von § 16 Abs. 3 BEEG. In Satz 1 sei die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung mit Zustimmung des Arbeitgebers vorgesehen. § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG sehe die vorzeitige Beendigung der Elternzeit in bestimmten gesetzlich normierten Fällen vor, wobei der Arbeitgeber die Möglichkeit habe, den Antrag innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich abzulehnen. § 16 Abs. 3 Satz 3 BEEG regle die vorzeitige Beendigung der Elternzeit wegen der Inanspruchnahme von Mutterschutzfristen. Die Beendigung sei nicht von einer Zustimmung des Arbeitgebers abhängig.
Interpretiere man § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG dahin, dass die Formulierung "wegen der Geburt eines weiteren Kindes" gleichzusetzen sei mit "nach der Geburt eines weiteren Kindes" würde ein und derselbe Sachverhalt in Satz 2 und Satz 3 der Vorschrift systematisch unterschiedlich geregelt.
Es sei auch kein zeitnaher Zusammenhang mit der Geburt erforderlich. Insoweit fänden sich die entsprechenden Regelungen zur Inanspruchnahme von Mutterschutzfristen und Beendigung der Eltern...