Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedeutung von Rechtsbegriffen bei der Auslegung von Tarifvorschriften. Lohnausfallprinzip bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Rahmen der Auslegung von Tarifverträgen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, zu berücksichtigen, dass in den Fällen, in denen sich Tarifvertragsparteien eines Rechtsbegriffs bedienen, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, dieser Begriff in seiner allgemeinen juristischen Bedeutung auszulegen ist, sofern sich nicht aus dem Tarifvertrag etwas anderes ergibt (vgl. BAG, Urt. v. 18.07.2017 - 9 AZR 850/16, juris; Urt. v. 15.12.2015 - 9 AZR 611/14, NZA 2016, 772).

2. Bei dem Begriff "Lohnausfallprinzip" handelt es sich um einen Rechtsbegriff, der im juristischen Sprachgebrauch eine bestimmte Bedeutung hat, nämlich, dass dem Arbeitnehmer das Entgelt fortzuzahlen ist, das er verdient hätte, wenn die Arbeit nicht wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ausgefallen wäre (vgl. BAG, Urt. v. 16.07.2014 - 10 AZR 242/13, NZA 2015, 499; Urt. v. 09.10.2002 - 5 AZR 356/0, DB 2003, 1277). Bei der Vergütungsfortzahlung nach dem Lohnausfallprinzip sind damit auch die Zuschläge für Sonntags- und Nachtarbeit zu zahlen.

 

Normenkette

TV Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für das Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW § 3 Fassung: 1997-11-13; TV EFZ für das Wach- und Sicherheitsgewerbe (NRW) § 3 Fassung: 1997-11-13; TV EFZ (NRW) § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Entscheidung vom 03.05.2017; Aktenzeichen 3 Ca 2048/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 03.05.2017 - 3 Ca 2048/16 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Sonntagszuschlägen für Sonntage, an denen er wegen Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung erbringen konnte.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 27.03.2008 als Sicherheitsfachkraft mit einer monatlichen Arbeitszeit von 190 Stunden zu einem Bruttostundenlohn von 15,07 € beschäftigt. Sein Einsatz erfolgt an sechs Tagen in der Woche an wechselnden Arbeitstagen. Der Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats.

Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist der allgemeinverbindliche Tarifvertrag zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 13.11.1997 (im Folgenden: TV EFZ) anwendbar. Dieser hat ua. folgenden Inhalt:

" [...] § 2 Höhe und Berechnung

Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall regelt sich nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz in der jeweils gültigen Fassung mit folgenden Abweichungen:

-1.

Höhe

Die Höhe der Entgeltfortzahlung beträgt:

vom 1. - 14. Tag der Arbeitsunfähigkeit

80 %

vom 15. Tag der Arbeitsunfähigkeit

100 %

-2.

Berechnungsgrundlage

Das fortzuzahlende Entgelt des Arbeitnehmers berechnet sich auf der Grundlage des Einkommens des Arbeitnehmers in den letzten drei voll abgerechneten Kalendermonaten ohne Einmalbezüge und Aufwandsentschädigungen, geteilt durch die Anzahl der Kalendertage der letzten drei voll abgerechneten Kalendermonate, multipliziert mit der Anzahl der Kalendertage der Arbeitsunfähigkeit.

Stehen als Referenzzeitraum nicht drei voll abgerechnete Kalendermonate zur Verfügung, gelten als Referenzzeitraum die tatsächlich abgerechneten vollen Kalendermonate. Steht als Referenzzeitraum kein voller abgerechneter Kalendermonat zur Verfügung, gilt das Lohnausfallprinzip.

§ 3 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ab 01. Mai 1999

Ab dem 01. Mai 1999 wird ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Entgelt in Höhe von 100 % der tariflichen Vergütung des Arbeitnehmers gezahlt.

Die 100 % berechnen sich nach der Lohngruppe des Arbeitnehmers, in die er eingruppiert ist.

Es gilt das Lohnausfallprinzip. Leistungen nach Ziffer 3.3.1 und 3.3.2 des Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe NRW bleiben bei der Ermittlung der tariflichen Vergütung unberücksichtigt.

Mit Ausnahme dieser Regelung und der Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 02. April 1993 gilt das Entgeltfortzahlungsgesetz in der jeweils gültigen Fassung. [...]"

Als Fußnote zu "tarifliche Vergütung" in § 3 Abs. 1 Satz 1 TV EFZ haben die Tarifvertragsparteien in einer Protokollerklärung festgehalten: " Über die weitere Einbeziehung der Sonn- und Feiertagszuschläge in die Berechnungsgrundlage für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird 1998 neu verhandelt".

Im Nachgang fanden keine Verhandlungen zwischen den Tarifvertragsparteien statt.

Der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 02.04.1993 (im Folgenden: MTV 1993) enthielt in Ziff. 3.3.1 und 3.3.2 Regelungen über Urlaubsgeld und eine Weihnachtszuwendung. Der Lohntarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen...

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