Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Mitwirkungsobliegenheit des Arbeitgebers bei der Urlaubnahme des Arbeitnehmers. Abweichende arbeitsvertragliche Regelungen für den Mehrurlaub
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung i.S.d. § 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB umfasst nur, was der Bereicherte auch tatsächlich erlangt hat, z.B. einen zugeflossenen materiellen Geldwert. Lediglich eine Anwartschaft auf spätere Leistung reicht dazu nicht aus.
2. Der Arbeitgeber genügt seinen aus einem richtlinienkonformen Verständnis von § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG resultierenden Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs, indem er den Arbeitnehmer auffordert, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt.
3. Während der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub arbeitsvertraglichen Dispositionen entzogen ist, die sich zuungunsten des Arbeitnehmers auswirken (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG), können die Arbeitsvertragsparteien Urlaubsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, frei regeln.
Normenkette
BUrlG § 7 Abs. 3 Sätze 1-2, Abs. 4; RL 2003/88/EG Art. 7; BUrlG § 7 Abs. 1 S. 1 Hs. 2; GRC Art. 31 Abs. 2; BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2; BUrlG §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 3; TVG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Herford (Entscheidung vom 03.05.2022; Aktenzeichen 2 Ca 860/21) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 03.05.2022 - 2 Ca 860/21 - wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 03.05.2022 - 2 Ca 860/21 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, über die bereits erfolgte Verurteilung hinaus an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 4.014,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2021 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird für die Beklagte in Höhe von 4.014,00 EUR (Urlaubsabgeltung) zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die Abgeltung von Urlaubsansprüchen und die Wirksamkeit einer seitens der Beklagten erklärten Aufrechnung.
Die Parteien verband ein langjähriges Arbeitsverhältnis, welches durch Eigenkündigung des Klägers zum 15.03.2021 sein Ende fand. Der am 25.06.1970 geborene Kläger erkrankte im Jahre 2017.
Mit Schreiben vom 08.01.2018, fälschlicherweise datiert auf den 08.01.2017, bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass ihm für das Jahr 2017 noch ein Resturlaub in Höhe von 30 Tagen zusteht. Auf einen Verfall der Urlaubstage wurde in dem Schreiben nicht hingewiesen.
Die Beklagte rechnete für die Jahre 2019, 2020 und 2021 mit einer tariflichen täglichen Arbeitszeit von 7,7 Stunden insgesamt 504,35 Stunden bei einem tariflichen Stundenlohn von 13,38 EUR den Urlaub ab. Hieraus ergab sich laut Abrechnung für März 2021 (Bl. 7 d. A.) eine Auszahlung in Höhe von insgesamt 7.227,14 EUR zugunsten des Klägers.
Dieser Betrag wurde dem Kläger allerdings nicht vollständig ausgezahlt, da die Beklagte für die Zeit von August 2017 bis einschließlich August 2019 die insgesamt gezahlten Beiträge an die betriebliche Altersversorgung des Klägers in Höhe von 2.500,00 EUR netto in Abzug brachte.
Die Beklagte begründete den Abzug damit, dass sie für den Kläger in der Zeit von August 2017 bis August 2019 weiterhin monatlich 100,00 EUR an die bestehende Direktversicherung (A Versicherung) abgeführt hat, obwohl aufgrund der Erkrankung des Klägers dem Kläger kein Lohnanspruch mehr zustand.
Mit Schreiben vom 08.04.2021 teilte die Beklagte mit, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 2017 verfallen sei und der an die A-Versicherung gezahlte Betrag in Abzug gebracht werde.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe den Urlaub für das Jahr 2017 abzugelten. Durch den unterbliebenen Hinweis auf den drohenden Verfall sei der Urlaub nicht verfallen. Weiterhin dürfe sich der Kläger darauf verlassen, dass der ihm mitgeteilte Resturlaubsanspruch für das Jahr 2017 vergütet werde, da die Beklagte dem Kläger in der Vergangenheit mehrfach zum Jahresende nicht gewährte Urlaubsansprüche abgegolten habe. Der Abzug in Höhe von 2.500,00 EUR sei zu Unrecht erfolgt. Der Beklagten stehe kein aufrechenbarer Anspruch zu.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 4.014,00 EUR brutto sowie einen weiteren Betrag in Höhe von 2.500,00 EUR netto, jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.04.2021 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Urlaubsanspruch für das Jahr 2017 sei verfallen. Im Übrigen habe die Beklagte lediglich in den Jahren 2011 und 2...