Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersgruppe. soziale Auswahl
Leitsatz (amtlich)
1. Führt die Bildung von Altersgruppen in ihrer Anwendung dazu, dass bei einer Verteilung der auszusprechenden Kündigungen entsprechend dem prozentualen Anteil der Altersgruppen an der davon erfassten Belegschaft die letzte Kündigung aus zwei Altersgruppen gleichermaßen erfolgen kann, ist die Herausnahme eines bestimmten Arbeitnehmers aus der sozialen Auswahl nicht nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG gerechtfertigt.
2. Führt die Altersgruppenbildung zu einer Verringerung des Altersdurchschnitts um 2,66 Jahre, liegt eine erhebliche Verbesserung der Personalstruktur vor, welche nicht mehr nach § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG gerechtfertigt ist.
3. Wird die Altersgruppenbildung auf einen bestimmten Betriebsbereich beschränkt, ist der Altersdurchschnitt vor und nach Ausspruch der Kündigungen allein in diesem Bereich zu ermitteln und nicht bezogen auf den Gesamtbetrieb.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Urteil vom 15.06.2010; Aktenzeichen 1 Ca 1383/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 15. Juni 2010 (1 Ca 1383/09) abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Oktober 2009 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Mitarbeiter der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 400,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2009 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen der Kläger zu 1/10, die Beklagte zu 9/10.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und über die Zahlung von Weihnachtsgeld.
Der Kläger ist am 1. Juli 1954 geboren, verheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Zum Zeitpunkt der hier angegriffenen Kündigung vom 26. Oktober 2009 war lediglich ein Kind auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Der Kläger ist gelernter Kfz-Mechaniker und Werkzeugmacher. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bezog er zuletzt eine Vergütung von 2.800,00 Euro brutto monatlich. Als Servicemitarbeiter war er seit Beginn seiner Beschäftigung in der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik tätig. 60 % seiner Tätigkeiten bestanden aus Servicedienstleistungen, welche Reparaturtätigkeiten der bei der Beklagten vorhandenen Maschinen umfassen. 40 % der Tätigkeit des Klägers entfielen auf Rüstvorgänge an den Maschinen. Aufgrund seiner Qualifikation darf der Kläger elektrische Arbeiten nur noch an Maschinen mit Spannungen bis 220 Volt durchführen.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie und stellt u.a. im Spritzgussverfahren Spulen für die Drahtaufwicklung her. Sie unterhält hierzu zwei Standorte, von denen sich das „Werk I” in L2 und das „Werk II” als unselbständiger Betriebsteil in R1 befindet. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Bedingungen der Beschäftigten kann ein Einsatz in beiden Werken erfolgen. Für beide Werke besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.
Beginnend mit dem 4. Quartal 2008 kam es bei der Beklagten zu erheblichen Auftrags- und Umsatzrückgängen, denen sie zunächst mit dem Abbau vorhandener Urlaubsguthaben und Gleitzeitkonten begegnete. Ab 1. Januar 2009 wurde Kurzarbeit durchgeführt. Nachdem diese Entwicklung auch im Verlauf des Jahres 2009 weiter anhielt, entschloss sich die Geschäftsleitung, in sämtlichen Unternehmensbereichen neben anderen Maßnahmen der Kostenreduzierung auch einen Stellenabbau durchzuführen.
In der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik waren elf Arbeitnehmer beschäftigt. Die zu verrichtenden Rüstvorgänge hatten sich von 2127 in den ersten drei Quartalen des Jahres 2008 auf 1205 im Vergleichszeitraum des Jahres 2009 reduziert. Darüber hinaus wurden regelmäßige Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten fremd vergeben. Hierdurch reduzierte sich der Bedarf auf sechs Vollzeitstellen in der Abteilung Vorrichtungsbau/Mechatronik. Die verbliebenen Mitarbeiter werden in der Produktion bei der internen Störungsbeseitigung eingesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die nicht mehr angegriffenen Feststellungen des arbeitsgerichtlichen Urteils (S. 3 bis 5, 15 f. des Urteils, Bl. 181 bis 184, 193 f. d. A.) sowie auf das Protokoll der Sitzung des Landesarbeitsgerichts vom 9. November 2010 (S. 2 und 3 des Protokolls, Bl. 271R, 272 d. A.) Bezug genommen.
Insgesamt wurde die Gesamtbelegschaft von 181 Mitarbeiter um 48 Mitarbeiter reduziert werden (vgl. Massenentlassungsanzeige vom 12. Oktober 2010 Anlage B 5a der Klageerwiderung vom 14. Januar 2010, Bl. 76 f. d. A....