Entscheidungsstichwort (Thema)
Endgültige Stilllegungsabsicht des Insolvenzverwalters? Zur Frage des Betriebsübergangs bei einem Autohaus
Leitsatz (amtlich)
Eine endgültige Stilllegungsabsicht des Insolvenzverwalters kann nicht angenommen werden, wenn die Übernahmeverhandlungen bei Ausspruch der Kündigung noch nicht abgeschlossen sind und der Interessent erst einen Monat später endgültig absagt.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; KSchG 1 Abs. 2 S. 1; BGB 613a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Urteil vom 17.09.2009; Aktenzeichen 1 Ca 1307/09) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 17.09.2009 – 1 Ca 1307/09 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) vom 30.06.2009 nicht zum 30.09.2009 aufgelöst worden ist.
Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu 1) 3/5 und der Kläger 2/5 zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) hat allein der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob das mit der S2 AG bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Kündigung des Beklagten zu 1) vom 30.06.2009 zum 30.09.2009 beendet worden ist und ob die Beklagte zu 2) aufgrund eines Betriebsübergangs in die Rechte und Pflichten des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist.
Der am 02.01.21949 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 21.08.1945 als Kfz-Mechaniker für die Firma S2 AG gegen eine monatliche Vergütung von zuletzt 2.688,00 brutto tätig. Die Firma S2 AG betrieb in P1 ein Autohaus, in dem sie Fahrzeuge der Marke V2 vertrieb. Sie beschäftigte zuletzt 18 Arbeitnehmer. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.06.2009 kündigte der zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte das Arbeitsverhältnis noch am 30.06.2009 fristgerecht zum 30.09.2009 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung von weiteren Arbeitsleistungen frei. Zur Begründung der Kündigung hat er ausgeführt, aufgrund der wirtschaftlichen Lage und den mit der V2 C1 G3 GmbH und der V2 A3 GmbH geführten Verhandlungen sei eine längerfristige Fortführung des Geschäftsbetriebes nicht möglich gewesen bzw. nur durch eine Nachfolgegesellschaft bei Abschluss eines neuen Händlervertrages in Betracht gekommen. Im Laufe der Verhandlungen sei der potentielle Interessent von seinen Übernahmeplänen abgerückt. Weil sich die Fortführung des Unternehmens durch eine Nachfolgegesellschaft zerschlagen habe, habe nur die Möglichkeit bestanden, den Geschäftsbetrieb komplett einzustellen und die Mitarbeiter nur noch mit Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen. Die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter seien gekündigt worden.
Mit Schreiben vom 30.06.2009 hat der Beklagte die Unzulänglichkeit der Masse angezeigt.
Mit Klageerweiterung vom 14.08.2009 hat der Kläger die Beklagte zu 2) in den Rechtsstreit einbezogen. Er will den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 2) feststellen lassen. Unter Berufung auf entsprechende Pressemitteilungen vertritt der Kläger den Standpunkt, die Beklagte zu 2) habe den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin übernommen.
Die Beklagte zu 2) gehörte zur M1-Gruppe, die an vier Standorten Autohäuser unterhält und nach der Pressedarstellung (Bl. 37 GA) in Deutschland zu den zehn größten V2- und fünf größten L3-Händlern zählt. Die Beklagte zu 2) hat ihren Geschäftsbetrieb in P1 an einem neuen Standort ab September 2009 aufgenommen. Sie beschäftigt ihrer Darstellung zufolge vier ehemals bei der Firma S2 AG tätige Auszubildende sowie weitere sieben Mitarbeiter der Insolvenzschuldnerin.
Zuvor hatte die Beklagte zu 2) dem Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 30.07.2009 mitgeteilt, dass sie kein weiteres Interesse mehr habe, den Geschäftsbetrieb der S2 AG weiterzuführen und auch an der Übernahme der Betriebs- und Geschäftsausstattung nicht interessiert sei.
Der Kläger bestreitet die endgültige Stilllegungsabsicht des Beklagten zu 1). Er hat vorgetragen, es seien nicht alle Mitarbeiter entlassen worden. Der Geschäftsbetrieb sei in Wirklichkeit aufrecht erhalten worden. Ein Großteil der Arbeitsplätze sei durch die Beklagte zu 2) mit ehemaligen Mitarbeitern der Insolvenzschuldnerin besetzt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 17.09.2009 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung des Beklagten zu 1) aus betriebsbedingten Gründen wegen Einstellung des Geschäftsbetriebes wirksam beendet worden. Auf dem ehemaligen Betriebsgelände der Insolvenzschuldnerin am F2 W3 in P1 hätten spätestens mit dem Auslaufen der Kündigungsfrist am 30.09.2009 keinerlei geschäftliche ...