Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinstellungsanspruch und Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der angebliche Betriebsübergang nach Ausspruch der Kündigung stattgefunden, ist das Arbeitsverhältnis im gekündigten Zustand gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die angebliche Betriebserwerberin übergangen, denn der Betriebserwerber übernimmt das Arbeitsverhältnis in dem Zustand, in dem es zum Zeitpunkt des Übergangs bestanden hat. Steht die Wirksamkeit der Kündigung des Arbeitgebers rechtswirksam fest und liegt der Ablauf der Kündigungsfrist nach dem Termin des Betriebsübergangs, endet das Arbeitsverhältnis beim Erwerber mit Ablauf der Kündigungsfrist.
2. Ein Wiedereinstellungsanspruch ist anzunehmen, wenn sich die der betriebsbedingten Kündigung zugrundeliegende Vorstellung des Arbeitgebers über die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nachträglich als unzutreffend herausstellen. Ein Anspruch auf Wiedereinstellung kommt danach nur in Betracht, wenn sich zwischen den Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ergibt. Der wegen Betriebsstilllegung gekündigte Arbeitnehmer kann Wiedereinstellung verlangen, wenn der Betrieb tatsächlich nicht wie geplant stillgelegt worden ist, sondern während des Laufs der Kündigungsfrist ein Betriebsübergang stattfindet und der Betrieb von einem neuen Inhaber fortgeführt wird.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 322; BGB §§ 611, 613a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Herne (Urteil vom 24.03.2009; Aktenzeichen 3 Ca 2824/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 24.03.2009 – 3 Ca 2824/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 21.500,00 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger will mit seiner am 13.10.2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien aufgrund eines Betriebsübergangs feststellen lassen und begehrt unveränderte Weiterbeschäftigung. Im Wege der Klageerweiterung beansprucht er Wiedereinstellung.
Der am 08.05.1953 geborene Kläger war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages seit dem 01.01.1990 als Vertriebsmitarbeiter mit einem monatlichen Bruttogehalt von 4.300,00 EUR bei der Firma M1 Computer GmbH tätig. Die M1 Computer GmbH gehörte zusammen mit der M1 AG und der M1 I1 GmbH zum Verbund der M1-Unternehmungsgruppe, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet und über deren Vermögen am 01.09.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Für alle drei Unternehme wurde Rechtsanwalt D2. A1 zum Insolvenzverwalter bestellt, der das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger am 25.09.2008, dem Kläger zugegangen am 27.09.2008, fristgemäß zum 31.12.2008 kündigte. Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers ist durch Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 18.02.2009 – 1 Ca 2811/08 – rechtskräftig abgewiesen worden.
Der Kläger vertritt den Standpunkt, sein Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin sei mit Wirkung zum 01.10.2008 gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergangen. Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der Q1 Inc., Taiwan, die über verschiedene Beteiligungsunternehmen PC-Systeme und –Komponenten entwickelt und produziert und über ein weltweites Vertriebsnetz aus konzernangehörigen Vertriebsgesellschaften, Distributoren und Fachhandelspartnern verfügt.
Die M1 Computer GmbH befasste sich mit dem Handel von Computern und Monitoren der Marken „M1 und B2” sowie mit dem Vertrieb von Computer-Peripherie einschließlich aller damit zusammenhängenden Dienstleistungen und Tätigkeiten. Die Kunden der Insolvenzschuldnerin gaben bei ihr ihre Bestellungen mit den jeweils gewünschten PC-Komponenten auf, die an das Produktionsunternehmen M7 M6 und L2 S2 GmbH in A3 weitergeleitet wurden. Dort wurden die Computer zusammengestellt und an die Kunden ausgeliefert.
Der Kläger meint, die Beklagte habe den Betrieb der Insolvenzschuldnerin übernommen, denn sie nutze deren Gewerbeflächen in M2, habe das gesamte Inventar und auch den Kundenstamm übernommen und führe die betrieblichen Aktivitäten der M1 GmbH unverändert fort.
Demgegenüber stellt die Beklagte einen Betriebs- oder auch nur einen Betriebsteilübergang in Abrede. Ihrer Behauptung zufolge nutzt sie mit Duldung des Insolvenzverwalters von den 30.000 qm Gewerbeflächen verteilt auf verschiedene Gebäude lediglich 2.800 qm. Sie behauptet, von diesen 2.800 qm habe die Insolvenzschuldnerin lediglich 400 qm genutzt. Die übrigen Gebäudeflächen hätten zur S3 S4 GmbH gehört. Im Rahmen der Zerschlagung der M1-Gruppe habe sie lediglich einzelne Gegenstände des Umlaufvermögens, nämlich Bauteile und Halbfertigprodukte auch von der ebenfalls insolventen M7 M6 und L2 S2 GmbH in W4 erworben. Gegenstände der Betriebs- und Geschäftsausstattung und/oder der Produktionsanlagen habe sie nicht erworben worden. Ihre geschäftliche Betätigung unterscheide sich wesentlich von den Aktivitäten der Insolvenzschuldne...