Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch eines Arbeiters auf Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes auch für die Zukunft aufgrund Betriebsvereinbarung oder betrieblicher Übung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Mitteilung einer beabsichtigten Regelung, deren genauer Inhalt mangels Abstimmung sowohl mit dem Vorstand als auch dem Betriebsrat noch gar nicht abschließend feststand, stellt keine Gesamtzusage dar.

2. Eine betriebliche Übung liegt nicht vor, wenn der betreffende Anspruch nicht formwirksam zustandegekommen ist, etwa bei Nichterfüllung der tarifvertraglich vorgesehene Schriftform.

 

Normenkette

BetrVG § 77 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 12.05.2022; Aktenzeichen 1 Ca 3021-21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 12.05.2022 - 1 Ca 3021/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Urlaubsgeld für das Jahr 2021 sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch in den Folgejahren Urlaubsgeld an den Kläger zu zahlen.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.04.1993 ein Arbeitsverhältnis. Auf das Arbeitsverhältnis waren aufgrund Inbezugnahme im Arbeitsvertrag zunächst die Regelungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) anwendbar.

In § 4 BMT - G II war u. a. Folgendes vorgesehen:

(1) Der Arbeitsvertrag wird schriftlich abgeschlossen.

...

(2) Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.

...

Der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Arbeiter vom 16.03.1977 sah u. a. Folgendes vor:

§ 1 Anspruchsvoraussetzungen

(1) Der Arbeiter erhält in jedem Kalenderjahr ein Urlaubsgeld, wenn er

1. am 1. Juli im Arbeitsverhältnis stehtund

2. seit dem 1. Januar ununterbrochen als Arbeiter, Angestellter, Beamter, Richter, Soldat auf Zeit, Berufssoldat, Auszubildender, Praktikant, Schülerin/Schüler in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Krankenpflegehilfe oder Hebammenschülerin/ Schüler in der Entbindungspflege im öffentlichen Dienst gestanden hat,und

3. mindestens für einen Teil des Monats Juli Anspruch auf Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge hat....

§ 2 Höhe des Urlaubsgeldes

(1) Das Urlaubsgeld beträgt für den am 1. Juli vollbeschäftigten Arbeiter 332,34 Euro.

...

§ 3 Anrechnung von Leistungen

Wird dem Arbeiter aufgrund örtlicher oder betrieblicher Regelung, aufgrund betrieblicher Übung, nach dem Arbeitsvertrag oder aus einem sonstigen Grunde ein Urlaubsgeld oder eine ihrer Art nach entsprechende Leistung vom Arbeitgeber oder aus Mitteln des Arbeitgebers gewährt, ist der dem Arbeitnehmer zustehende Betrag auf das Urlaubsgeld nach diesem Tarifvertrag anzurechnen. Satz 1 gilt auch für ein Urlaubsgeld aus einer Beschäftigung während der Elternzeit nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz.

...

Mit Schreiben vom 30.09.1992 (Bl. 59 f. d. A.) teilte die Beklagte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Folgendes mit:

An alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der A B GmbH

Gewährung eines Urlaubsentgelts an die Beschäftigten der A B GmbH

Liebe Mitarbeiterinnen,

liebe Mitarbeiter,

seit dem 1. Januar d. J. ist die A B GmbH Tochterunternehmen der B C AG. Ich hatte bereits in anderer Sache Gelegenheit, Sie über die besonderen Sozialleistungen im Gesamtkonzern zu informieren.

Für die bei der A B GmbH in Vollzeit- oder Teilzeitarbeitsverhältnissen (nicht geringfügig Beschäftigte) tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter galt es, noch eine Regelung über die Gewährung eines Urlaubsgeldes zu treffen. Die neue Gesellschafterin, B C AG, war dabei bisher vom Grundsatz her nicht bereit, über den tariflichen Anspruch von 500 DM bzw. 650 DM Einmalzahlungen hinaus einer höheren Zuwendung zuzustimmen. Im Hinblick auf die erheblichen Verluste der A B GmbH ist eine solche Regelung äußerst schwierig durchzusetzen.

Im Hinblick auf die Verbesserung des Betriebsergebnisses für das Jahr 1991 und die sich abzeichnende weitere bescheidene Verbesserung für das laufende Geschäftsjahr konnte der Vorstand der B C AG bewegt werden, nochmals über eine Regelung für die Beschäftigten der A B GmbH nachzudenken. Ich habe dazu dem Vorstand einen konkreten Vorschlag unterbreitet, der für die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter folgende Regelung vorsieht:

1. Auf jederzeitigen Widerruf wird die A B GmbH ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ab 1993 ein Urlaubsgeld zahlen.

2. Der tarifliche Anspruch auf Gewährung eines Urlaubsgeldes wird auf die Leistung der A B GmbH angerechnet.

3. Das Urlaubsgeld wird nur Voll- oder teilzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährt, die mindestens zwölf Monate vor dem Monat der Gewährung des Urlaubsgeldes ununterbrochen bei der A B GmbH beschäftigt waren.

4. Die Gewährung des Urlaubsgelds ist von der weiteren Verbesserung des Betriebsergebnisses abhängig.

5. Die Höhe des Urlaubsgeldes für die schon bei der Gesellschaft beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist unter Anrechnung eines noch zu besti...

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