Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der sachgrundlosen Befristung für sieben Jahre im Tarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Unwirksamkeit der Regelung im 3. Textabsatz ["(1)"] des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010, welche die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren bei bis zu siebenmaliger Verlängerung vorsieht
2. Unwirksamkeit eines 2015 zur Geltungszeit des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 vereinbarten befristeten Arbeitsvertrags mit einer Gesamtlaufzeit von 3 Jahren und 10 Monaten und 1 Tag wegen Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG
[Ablösungswirkung des Änderungstarifvertrags aus 2010 (TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010): kein Rückgriff auf den TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 / kein "Wiederaufleben" des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007]
3. Ebenso bereits: LAG Hamm 14.02.2019 - 11 Sa 577/18 - , nicht rechtskräftig, anhängig BAG 7 AZR 118/19
Normenkette
TzBfG 2010 § 14 Abs. 2 Sätze 3-4; TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007; TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010; TzBfG § 16; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Entscheidung vom 06.12.2018; Aktenzeichen 4 Ca 520/18) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 06.12.2018 - 4 Ca 520/18 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen mit der klarstellenden Maßgabe, dass die Feststellungsverurteilung ohne den Zusatz "sondern darüber hinaus unbefristet fortbesteht" ergeht.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Befristung.
Der 1987 geborene Kläger schloss mit der Beklagten unter dem 30.01.2015 einen befristeten Arbeitsvertrag über eine Tätigkeit unter Tage als Elektrohauer 1, Fachrichtung Elektrotechnik. Die Laufzeit des Vertrages währte vom 31.01.2015 bis zum 30.11.2015. Vereinbart war die Geltung der betrieblich und fachlich einschlägigen Tarifverträge. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereicht Kopie des Arbeitsvertrags Bezug genommen (Bl. 4 GA).
Unter dem 30.04.2015 unterzeichneten die Parteien einen weiteren "Arbeitsvertrag" (Bl. 5 GA). Dort heißt es auszugsweise:
...
wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihr befristeter Arbeitsvertrag vom 30.01.2015, gemäß Tarifvertrag über befristete Arbeitsverträge im deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.06.2007, mit Änderung vom 01.08.2010, bis zum 30.11.2018 verlängert wird.
Im Übrigen gelten die bisherigen Bedingungen Ihres Arbeitsvertrages weiter.
...
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie des Arbeitsvertrags Bezug genommen (Bl. 5 GA).
Der Kläger arbeitete zuletzt als Elektrohauer im Untertagebereich (Lohngruppe 10). Das Bruttomonatsentgelt betrug ca. 3.300,00 €.
Der Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau in der Fassung vom 29.06.2007 lautet auszugsweise (Bl. 64 GA):
§ 1
In Abweichung von § 14 Abs. 2 TzBfG können im deutschen Steinkohlenbergbau nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen befristete Arbeitsverhältnisse geschlossen werden.
§ 2
(1) Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden, soweit nicht gesetzlich eine längere sachgrundlose Befristung zulässig wird.
(2) Innerhalb dieser Zeitspanne kann der Arbeitsvertrag bis zu fünfmal verlängert werden.
§ 3
Der Abschluss und die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages erfolgen schriftlich.
§ 4
...
Am 01.08.2010 unterzeichneten die Tarifvertragsparteien des deutschen Steinkohlenbergbaus einen Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrags über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau (Bl. 65 GA). Dort heißt es:
In dem Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse in [sic] deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.06.2007 tritt mit Wirkung vom 01.08.2010 nachfolgende Änderung in Kraft:
§ 2 erhält folgende Fassung:
(1) Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden, soweit nicht gesetzlich eine längere sachgrundlose Befristung zulässig wird.
(2) Innerhalb dieser Zeitspanne kann der Arbeitsvertrag bis zu siebenmal verlängert werden.
I, 01.08.2010
...
Die Befristungskontrollklage ist am 23.04.2018 bei dem Arbeitsgericht Rheine eingegangen.
Der Kläger hat die Befristung des Arbeitsvertrages für unwirksam erachtet. Die Regelung im Tarifvertrag über die befristeten Arbeitsverhältnisse im Steinkohlebergbau in der Fassung vom 01.08.2010 sei unwirksam und könne eine Befristung nicht rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei auch durch tarifvertragliche Regelung eine sachgrundlose Befristung maximal für die Dauer von sechs Jahren und innerhalb der sechs Jahre eine neunmalige Verlängerung zulässig. Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass branchenspezifische Besonderheiten vor dem Hintergrund der Beendigung des Steinkohlenbergbaus zum Ende des Jahres 2018 diese Art der...