Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Befristung von Arbeitsverhältnissen im Steinkohlenbergbau

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Entgegen dem Gesetzeswortlaut gilt die den Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Höchstdauer der Befristung und/oder die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG festzulegen, nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten der systematische Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck des TzBfG, aber auch verfassungs- und unionsrechtliche Gründe eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien.

2. Die Regelung in § 2 Abs. 1 TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010, wonach eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen über einen Zeitraum von sieben Jahren zulässig ist, ist zu weitgehend und damit unwirksam.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 2; TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Entscheidung vom 25.04.2018; Aktenzeichen 3 Ca 33/18)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Rheine vom 25.04.2018 - 3 Ca 33/18 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses auf den 31.12.2018. Zudem begehrt der Kläger seine tatsächliche Weiterbeschäftigung über den Befristungstermin hinaus.

Der 1962 geborene Kläger ist seit dem 01.01.2015 als Vorarbeiter, Fachrichtung Werkstätten / Bauabteilung, im Übertagebereich bei der Beklagten tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 22.11.2014 (Bl. 4 GA). Gemäß Ziff. 3 des Arbeitsvertrages sind auf das Arbeitsverhältnis die zwischen der IG BCE und dem Gesamtverband Steinkohle abgeschlossenen Tarifverträge für den Ibbenbürener Steinkohlenbergbau in ihrer jeweils gültigen Fassung anzuwenden. Gemäß Ziff. 4 des Arbeitsvertrages ist das Arbeitsverhältnis bis 31.12.2018 befristet. Das Bruttomonatsentgelt des Klägers beträgt durchschnittlich 3.000,00 € (Lohngruppe 10).

Mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20.12.2007 wurde die Beendigung der subventionierten Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018 beschlossen. Die zunächst vorgesehene Revisionsklausel wurde mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Steinkohlfinanzierungsgesetzes vom 15.07.2011 gestrichen. Damit wird die Förderung des deutschen Steinkohlenbergbaus zum Ende des Jahres 2018 endgültig eingestellt.

Der Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau in der Fassung vom 29.06.2007 hatte auszugsweise wie folgt gelautet (Bl. 36 GA):

§ 1

In Abweichung von § 14 Abs. 2 TzBfG können im deutschen Steinkohlenbergbau nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen befristete Arbeitsverhältnisse geschlossen werden.

§ 2

(1) Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden, soweit nicht gesetzlich eine längere sachgrundlose Befristung zulässig wird.

(2) Innerhalb dieser Zeitspanne kann der Arbeitsvertrag bis zu fünfmal verlängert werden.

§ 3

Der Abschluss und die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages erfolgen schriftlich.

§ 4

...

Am 01.08.2010 unterzeichneten die Tarifvertragsparteien des deutschen Steinkohlenbergbaus einen Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrags über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau (Bl. 37 GA). Dort heißt es:

In dem Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse in [sic] deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.06.2007 tritt mit Wirkung vom 01.08.2010 nachfolgende Änderung in Kraft:

§ 2 erhält folgende Fassung:

(1) Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden, soweit nicht gesetzlich eine längere sachgrundlose Befristung zulässig wird.

(2) Innerhalb dieser Zeitspanne kann der Arbeitsvertrag bis zu siebenmal verlängert werden.

Herne, Hannover 01.08.2010

...

Die Befristungskontrollklage ist am 02.01.2018 bei dem Arbeitsgericht Rheine eingegangen.

Der Kläger hat gemeint, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den 31.12.2018 unwirksam sei, weil der der Befristung zugrundeliegende Tarifvertrag unwirksam sei. Die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren und mit der Möglichkeit der siebenmaligen Verlängerung gehe auch unter Berücksichtigung der tariflichen Öffnungsklausel des § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG zu weit. Wenn auch der Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG keine Grenze vorsehe, so sei aufgrund des systematischen Gesamtzusammenhangs und des Sinns und Zwecks des Teilzeitbefristungsgesetzes sowie aufgrund verfassungs- und unionsrechtlicher Gründe doch eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffneten Dispositionsbefugnis der Tarifvertragsparteien geboten. Diese Grenze habe das Bundesarbeitsgericht in seine...

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