Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit der Befristung von Arbeitsverhältnissen im Steinkohlenbergbau

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Entgegen dem Gesetzeswortlaut gilt die den Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Höchstdauer der Befristung und/oder die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG festzulegen, nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten der systematische Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck des TzBfG, aber auch verfassungs- und unionsrechtliche Gründe eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien.

2. Die Regelung in § 2 Abs. 1 TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010, wonach eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverhältnissen über einen Zeitraum von 7 Jahren zulässig ist, ist zu weitgehend und damit unwirksam.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 2; TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Rheine (Entscheidung vom 26.04.2018; Aktenzeichen 4 Ca 84/18)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des ArbG Rheine vom 26.04.2018 - 4 Ca 84/18 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Befristung zum 31.12.2018.

Der 1958 geborene Kläger war seit dem 01.11.2012 zunächst befristet bis zum 31.12.2015 als technischer Angestellter, Fachrichtung Elektrotechnik im Übertagebereich der Beklagten beschäftigt (Gehaltsgruppe 15, Stufe 05). Mit Schreiben vom 04.12.2013 wurde das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2018 verlängert. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau Anwendung.

Der Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau in der Fassung vom 29.06.2007 lautete auszugsweise wie folgt:

§ 1

In Abweichung von § 14 Abs. 2 TzBfG können im deutschen Steinkohlenbergbau nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen befristete Arbeitsverhältnisse geschlossen werden.

§ 2

(1) Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden, soweit nicht gesetzlich eine längere sachgrundlose Befristung zulässig wird.

(2) Innerhalb dieser Zeitspanne kann der Arbeitsvertrag bis zu fünfmal verlängert werden.

§ 3

Der Abschluss und die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages erfolgen schriftlich.

§ 4

...

Am 01.08.2010 unterzeichneten die Tarifvertragsparteien des deutschen Steinkohlenbergbaus einen Tarifvertrag zur Änderung des Tarifvertrags über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau. Dort heißt es:

In dem Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse in [sic] deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.06.2007 tritt mit Wirkung vom 01.08.2010 nachfolgende Änderung in Kraft:

§ 2 erhält folgende Fassung:

(1) Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden, soweit nicht gesetzlich eine längere sachgrundlose Befristung zulässig wird.

(2) Innerhalb dieser Zeitspanne kann der Arbeitsvertrag bis zu siebenmal verlängert werden.

Herne, Hannover 01.08.2010

...

Die Befristungskontrollklage ist am 12.01.2018 bei dem Arbeitsgericht Rheine eingegangen.

Der Kläger hat die Befristung des letzten Arbeitsvertrages für unwirksam erachtet. Die Regelung im Tarifvertrag über die befristeten Arbeitsverhältnisse im Steinkohlenbergbau sei unwirksam und könnte eine Befristung nicht rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei durch tarifvertragliche Regelung eine sachgrundlose Befristung maximal für die Dauer von sechs Jahren und innerhalb der sechs Jahre eine neunmalige Verlängerung zulässig. Der Kläger hat mit Nichtwissen bestritten, dass branchenspezifische Besonderheiten vor dem Hintergrund der Beendigung des Steinkohlenbergbaus zum Ende des Jahres 2018 diese Art der tarifvertraglichen Regelungen bedingen würden.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 29.10.2012 in der Fassung des Schreibens vom 04.12.2013 mit Ablauf des 31.12.2018 beendet wird, sondern darüber hinaus unbefristet fortbesteht.
  2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger ab dem 01.01.2019 bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Entfristungsschutzverfahrens auf dem Bergwerk in Ibbenbüren zu den bisherigen Arbeitsbedingungen im Übertagebereich als technischen Angestellte, Fachrichtung Elektrotechnik gemäß Arbeitsvertrag vom 29.10.2012 mit Tätigkeiten entsprechend Gehaltsgruppe 15 Stufe 5 weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die tarifliche Regelung für wirksam erachtet. Sie hat insoweit auf eine materielle Richtigkeitsgewähr tariflicher Regelungen vor dem Hintergrund der bestehenden Tarifautonomie hingewiesen. Die Regelung halte sich inner...

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