Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweijahresgrenze bei befristeten Arbeitsverhältnissen ohne Sachgrund. Verlängerung der Zweijahresgrenze durch Tarifvertrag. Keine unbegrenzte Verlängerung der Zweijahresgrenze durch Tarifvertrag. Unionsrechtliche Bewertung der Verlängerung von befristeten Arbeitsverhältnissen ohne Sachgrund. Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts zur Verlängerung der Zweijahresgrenze des § 14 Abs. 2 S. 3 TzBfG durch Tarifvertrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Befristung ist nicht als sachgrundlose Befristung gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 TzBfG zulässig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 1. HS TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig; bis zu der Gesamtdauer von zwei Jahren ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsverhältnisses zulässig, § 14 Abs. 2 Satz 1 2. HS TzBfG. Die Zweijahresgrenze für die gesetzlich zugelassene sachgrundlose Befristung ist hier überschritten.
2. Nach § 14 Abs. 2 S. 2 kann durch Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festgelegt werden. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren, § 14 Abs. 2 Satz 4 TzBfG. Bei der Anwendung dieser Bestimmung besteht Übereinstimmung, dass durch Tarifvertrag nicht nur entweder die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend vom Gesetz geregelt werden können sondern dass auch kumulativ die Anzahl der Verlängerungen und zugleich die Höchstdauer der Befristung abweichend bestimmt werden können (BAG 20.01.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 139 mwN; BAG 15.08.2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101; ErfK-Müller-Glöge, 19. Aufl. 2019, § 14 TzBfG Rn. 101 a mwN).
3. Allerdings ist nach dem Gesetzeswortlaut die den Tarifvertragsparteien durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffnete Möglichkeit, die Höchstdauer der Befristung und/oder die Anzahl der Vertragsverlängerungen abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG festzulegen, nicht eingeschränkt. Dennoch gilt sie nicht völlig unbegrenzt. Vielmehr gebieten der systematische Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck des TzBfG, aber auch verfassungs- und unionsrechtliche Gründe eine immanente Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18.03.2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; 15.08.2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101; ErfK-Müller-Glöge, 19. Aufl. 2019, § 14 TzBfG Rn. 101 b). Zur Begründung verweist das Bundesarbeitsgericht darauf, dass sich anderenfalls ein Wertungswiderspruch insbesondere zu § 14 Abs. 1 TzBfG ergibt. Von dieser Bestimmung, nach der eine Befristungsabrede grundsätzlich nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig ist, kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG auch durch Tarifvertrag nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden. Daher muss auch ein tariflich geregelter Sachgrund den Wertungsmaßstäben des § 14 Abs. 1 TzBfG genügen (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18.03.2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; 15.08.2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101; BAG 09.12.2009 AP TzBfG § 14 Nr. 67). Dieses gesetzgeberische Konzept würde konterkariert, wenn die Tarifvertragsparteien völlig unbeschränkt sachgrundlose Befristungen gestatten könnten (BAG aaO).
4. Eine Beschränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG eröffneten Regelungsbefugnis entspricht schließlich auch den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. 6. 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (Rahmenvereinbarung), deren Umsetzung der befristungsrechtliche Teil des TzBfG dient (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147; BAG 18.03.2015 AP TzBfG § 14 Nr. 129; BAG 15. 8. 2012 AP TzBfG § 14 Nr. 101). Auch von den Tarifvertragsparteien ist bei der Wahrnehmung ihrer Regelungsbefugnis nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG das Ziel der Richtlinie, den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge zu verhindern, zu beachten. Die gesetzliche Tariföffnungsklausel erlaubt daher keine Tarifverträge, die diesem Ziel erkennbar zuwiderliefen (BAG 26.10.2016 AP TzBfG § 14 Nr. 147).
5. Nachdem das Bundesarbeitsgericht in seinen früheren Entscheidungen zur Tariföffnungsklausel in § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG keine Grenze für die Regelungsbefugnis nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG genannt hatte, hat es in dem Urteil vom 26.10.2016 eine tarifvertragliche Erweiterung bis zu einer Gesamtdauer von fünf Jahren bei fünfmaliger Verlängerungsmöglichkeit für zulässig erachtet und zugleich Ausführungen zu einer Grenze für die tarifvertraglichen Abweichungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG gemacht (obiter dictum). Das Bundesarbeitsgericht sieht danach die Grenze der tariflichen Regelungsbefugnis - unter Berücksichtigung der Gesamtkonzeption von § 14 TzBfG und der unionsrechtlichen Vorgaben in der Richtlinie 1999/...