Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Recht des Arbeitgebers zur einseitigen Anordnung der Kurzarbeit. Konkludentes Einverständnis des Arbeitnehmers zur Kurzarbeit. Vorrang der Regelung zur Kurzarbeit vor arbeitsvertraglichem Schriftformerfordernis
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitnehmer stimmt der Kurzarbeit konkludent zu, indem er nach der Betriebsversammlung das Formular zur Kontaktaufnahme in der Kurzarbeit ausfüllt und übersendet.
2. Das Schriftformerfordernis des Arbeitsvertrags steht der Wirksamkeit der konkludenten Vereinbarung über die Kurzarbeit nicht entgegen.
Normenkette
BGB §§ 305b, 615
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 22.06.2010; Aktenzeichen 5 Ca 3374/09) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 22.06.2010 - 5 Ca 3374/09 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Berufungsverfahren streiten die Parteien, ob der Klägerin ungekürzte Entgeltansprüche für einen Zeitraum der Kurzarbeit in den Monaten Februar 2009 bis Juni 2009 zustehen.
Die am 21.05.19XX geborene Klägerin ist seit dem 23.01.1991 bei der Beklagten als gewerbliche Arbeitnehmerin beschäftigt. Der Stundenlohn beträgt 10,18 €. Das Bruttomonatsentgelt belief sich zuletzt auf durchschnittlich 1.890,00€. Wegen des Inhaltes des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 11.04.2005 [oder: 2006?] wird auf die zur Akte gereichte Vertragskopie verwiesen: Bl. 78 - 81 GA. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig deutlich mehr als 10 Arbeitnehmer. In den vergangenen Jahren hatte die Beklagte die Klägerin jeweils in T abgeholt und zu ihrem Arbeitsplatz nach J gebracht. Von dieser Abholverpflichtung wollte sich die Beklagte mit Änderungskündigung vom 09.10.2009 zum 30.04.2010 lösen (Kopie der Änderungskündigung Bl. 3 GA). Gegen diese Änderungskündigung hat die Klägerin am 21.10.2009 Klage erhoben. In einem Teilvergleich im vorliegenden Rechtsstreit haben die Parteien die Übereinkunft erzielt, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigung vom 09.10.2009 keine Änderung erfahren hat (Beschluss gemäß § 278 Abs.6 ZPO über das Zustandekommen eines Teilvergleiches vom 20.05.2010, Bl. 26, 27 GA).
Anfang 2010 beabsichtigte die Beklagte, Kurzarbeit zu verfahren. Vor Einführung der Kurzarbeit fand eine Betriebsversammlung statt. Die Einführung der Kurzarbeit wurde bekannt gegeben. Anschließend erhielt die Klägerin wie die anderen Mitarbeiter ein Schreiben mit Datum vom 17.02.2009 (Bl. 72 GA):
" Sehr geehrte Frau U.,
Die Geschäftsleitung der Firma M GmbH möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass Kurzarbeit für unser Unternehmen seit dem 12.02.2009 bei der Bundesagentur für Arbeit angemeldet ist.
Sie sind von dieser Kurzarbeit betroffen und müssen dem zu folge ab dem 18.02.2009 bis auf Weiteres nicht zur Arbeit erscheinen.
Bitte geben Sie Ihre Telefonnummer in der Personalabteilung an, worunter wir Sie erreichen können.
Wir behalten uns vor, Sie kurzfristig über eine Wiederaufnahme der Arbeit zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen
...........................
Anlage: Antwortschreiben"
Die Klägerin unterschrieb am 17.02.2009 die "Antwort auf unser Schreiben vom 17.02.2009 zur Kurzarbeit" (Bl. 73 GA):
"Pers.-Nr.: XXX
Meine Telefonnummer lautet: 029.../....
17.02.2009 Unterschrift"
Die Bundesagentur bewilligte für den Zeitraum von 01. Februar 2009 bis zum 31. Juli 2009 Kurzarbeit. Hierzu verhält sich der Bescheid vom 06.04.2009. Auf die Kopie des Bescheides wird Bezug genommen (Bl. 94 GA). Die Klägerin arbeitete im Februar 2009 noch 97 Stunden. Danach und in den Monaten März, April und Mai 2009 arbeitete sie nicht. Im Juni 2009 leistete sie 17 Stunden. Die Klägerin erhielt während dieser Monate Abrechnungen, in denen das Kurzarbeitergeld ausgewiesen und berücksichtigt wurde. Ausgezahlt wurden im Februar 1.358,39 € brutto, im März 749,39 € brutto, im April 821,16 € brutto, im Mai 789,85 € brutto und im Juni 1.272,25 € (Kopie der Abrechnungen für Februar 2009 - Juni 2009, Bl. 87 - 92 GA).
In einem Schreiben des Anwalts der Klägerin vom 20.10.2009 ist zur Problematik der Kurzarbeit ausgeführt (Bl. 82 GA):
"....Zugleich habe ich namens und im Auftrag meiner Mandantin rückständiges Arbeitsentgelt aus dem Zeitraum der angemeldeten Kurzarbeit geltend zu machen."
Beziffert wurde die Forderung durch die Anträge des klageerweiternden Schriftsatzes vom 08.04.2010 (Bl. 12, 13 GA). Für den Zeitraum der Kurzarbeit verlangt die Klägerin die Nachzahlung eines Differenzbetrages in Höhe von insgesamt 4.458,96 € brutto (Details zur Berechnung: Schriftsatz der Klägerin vom 26.10.2010, Bl. 85, 86 GA).
Eine weitere Klageerweiterung vom 17.06.2010 wegen Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld für das Jahr 2009 hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 22.06.2010 vom vorliegenden Rechtsstreit abgetrennt (Protokoll vom 22.06.2010, Bl. 34 GA).
Die Klägerin hat - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - vorgetragen, im gesamten Zeitraum ihre Arbeitskraft weiterhin angeboten und zur Verfügung gestell...