Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverschleppung. Darlegungs- und Beweislast

 

Leitsatz (amtlich)

Der klagende Arbeitnehmer, der Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH aus einer so genannte Insolvenzverschleppung geltend macht, ist darlegungs- und beweispflichtig für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen einer Haftung nach den §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 GmbHG.

 

Normenkette

GmbHG § 64; BGB § 823

 

Verfahrensgang

ArbG Minden (Urteil vom 04.03.2003; Aktenzeichen 2 Ca 45/07)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 04.03.2003 – 2 Ca 45/07 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 09.01.2007 eingegangenen Klage vom 08.01.2007 fordert der Kläger vom Beklagten Schadensersatz aus einer angenommenen Insolvenzverschleppung durch den Beklagten.

Der Beklagte war bis zum 10.06.2003 als Geschäftsführer der W1 J1 S4-K2 GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) bestellt und wurde sodann in zeitlich kurzer Folge von zwei Geschäftsführern abgelöst. Der Kläger war bei der Schuldnerin mindestens seit dem Jahr 2000 als Mitarbeiter beschäftigt. Anfang Juli 2003 kündigte er das Arbeitsverhältnis seinerseits mit sofortiger Wirkung, weil sich die Schuldnerin mit den Vergütungsansprüchen für die Monate Mai und Juni 2003 in voller Höhe im Zahlungsverzug befand. Nach Ausspruch der Eigenkündigung war der Kläger für etwa ein halbes Jahr arbeitslos.

Ausweislich der von der Schuldnerin erstellten Abrechnungen betrug der Bruttomonatsverdienst des Klägers während der Monate, in denen sich die Schuldnerin im Zahlungsverzug befand, 1.240,00 EUR. In den Abrechnungen sind ferner Spesenzahlungen, Zulagen und Auslagenersatz ausgewiesen.

Mit Klage vom 30.07.2003 machte der Kläger rückständige Vergütungsansprüche gegen die Schuldnerin geltend. Das Arbeitsgericht erließ darüber ein inzwischen rechtskräftiges Versäumnisurteil, aus dem der Kläger gegen die Schuldnerin erfolglos vollstreckte.

Der Kläger und weitere Mitarbeiter der Schuldnerin erstatteten gegen den Beklagten am 21.08.2003 Strafanzeige wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung und weiterer Insolvenzstraftaten. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bielefeld erließ das Amtsgericht Lübbecke unter dem Aktenzeichen 4 Cs 56 JS 1482/03 am 19.05.2006 einen Strafbefehl gegen den Beklagten, u.a. deshalb, weil dieser es als Geschäftsführer entgegen § 64 Abs. 1 GmbHG vorsätzlich unterlassen habe, bei Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Gegen diesen Strafbefehl legte der Beklagte rechtzeitig Einspruch ein. Das Strafverfahren vor dem Amtsgericht Lübbecke wurde angesichts einer amtsärztlich dargelegten Verhandlungsunfähigkeit des Beklagten nach § 205 StPO am 28.07.2008 vorläufig eingestellt.

Ein von der IKK im Oktober 2002 erstmals gestellter Insolvenzantrag gegen die Schuldnerin wurde nach Zahlung des vollstreckbaren Betrages zurückgenommen. Am 01.07.2004 eröffnete das Amtsgericht Bielefeld zum Aktenzeichen 43 IN 1029/03 über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren. Der Kläger meldete gegenüber dem Insolvenzverwalter der Schuldnerin die nachfolgend genannten Ansprüche an, die er mit der jetzigen Klage einfordert:

  1. Titulierter Vergütungsanspruch gemäß Versäumnisurteil

    Arbeitsgericht Minden

    2.480,00 EUR brutto

    abzgl. erhaltenen Insolvenzausfallgeldes

    in Höhe von

    - 3.916,16 EUR

    für die Zeit vom 01.05.2003 bis 04.07.2003 =

    - 1.436,16 EUR

  2. Anspruch auf Erstattung von Spesen in Höhe von 1.575,00 EUR

    gemäß Versäumnisurteil Arbeitsgericht Minden

  3. Verzugszinsen in Höhe von 5 % über Basiszinssatz

    nach DÜG auf 1.848,00 EUR seit dem 05.07.2003

    bis 30.06.2004

    90,70 EUR

  4. Verzugszinsen in Höhe von 5 % über Basiszinssatz

    Nach DÜG auf jeweils 1.240,00 EUR seit dem 05.06.2003 und 05.07.2003, berechnet bis zum 30.06.2004

    158,65 EUR

  5. Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 24 restliche

    Urlaubstage

    1.352,73 EUR

  6. Schadenersatz für die von der Gemeinschuldnerin

    verschuldete, fristlose Kündigung der Arbeitgeberin wegen Nichtzahlung trotz Abmahnung gemäß § 628 Abs. 2 BGB

    3.720,00 EUR

    Zwischensumme

    5.460,92 EUR

    Vollstreckungskosten, Vollstreckungsauftrag vom 05.11.2003

    109,26 EUR

    Gerichtsvollzieherkosten vom 19.11.2004

    18,00 EUR

    vorläufig gesamt

    5.588,18 EUR

    Insolvenzgeld wurde dem Kläger ausweislich eines Bescheids der Agentur für Arbeit in H1 vom 30.08.2004 wie folgt gewährt:

    Für die Zeit vom 01.05.2003 bis 31.05.2003

    2.440,75 EUR

    Für die Zeit vom 01.06.2003 bis 30.06.2003

    1.354,75 EUR

    Für die Zeit vom 01.07.2003 bis 04.07.2003

    120,66 EUR.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die eingeklagten Beträge schulde der Beklagte aus Gründen der Durchgriffshaftung nach § 64 GmbHG. Dazu hat er behauptet, die Staatsanwaltschaft habe festgestellt, die Schuldnerin sei bereits Ende 2001 nicht mehr zahlungsfähig gewesen. Bereits damals sei seitens anderer Gläubiger vollstreckt worden. Spätestens zum Jahreswechsel 2...

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