Entscheidungsstichwort (Thema)

Gläubigerbenachteiligung. Haftung des faktischen Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung. Zahlungsunfähigkeit. Überschuldung. Darlegungs- und Beweislast

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist der Schuldner in der Lage, seine Verbindlichkeiten bis auf einen geringen Rest bedienen zu können, ist er nicht als zahlungsunfähig anzusehen. Das gilt nicht nur in quantitativer Hinsicht, sondern auch unter zeitlichen Aspekten, weshalb die bloße Zahlungsstockung für eine Zahlungsunfähigkeit irrelevant ist.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 826; GmbHG § 64; InsO §§ 17, 19

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Urteil vom 06.02.2008; Aktenzeichen 2 Ca 1335/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 06.02.2008 – 2 Ca 1335/06 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Haftung des Beklagten für die Zahlung einer Abfindung, deren Zahlung zwischen dem Kläger und der Firma S7 GmbH vereinbart wurde.

Der Kläger war seit dem 01.03.1993 als Lagerverwalter bei der Firma S2 GmbH & Co. KG beschäftigt. Gesellschafter der S2 GmbH & Co. KG waren die S2 KG sowie die S2 Verwaltungs GmbH, deren geschäftsführender Gesellschafter der Beklagte war.

Bei der Firma S2 GmbH & Co. KG war der Kläger, der der Schwager des Beklagten ist, Mitglied des dort gewählten Betriebsrats.

Am 05.12.2002 beschlossen die Gesellschafter der S2 GmbH & Co. KG auf einer Gesellschafterversammlung die Gründung der Gesellschaft S7 GmbH (S2 Production Company) (Bl. 55 d.A.). Gesellschaftszweck der S7 GmbH sollten die Herstellung von Apparaten, Druckbehältern, Wärmetauschern sowie der Rohrleitungsbau sein. Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung gemäß § 613 a BGB sollten sämtliche gewerbliche Arbeitnehmer sowie im Einzelnen genannte Angestellte der S2 GmbH & Co. KG auf die neu gegründete S7 GmbH übergehen. Zu den übergehenden Angestellten gehörten auch der frühere Buchhalter der S2 GmbH & Co. KG, Herr M2 M3 sowie Frau I1 S8, eine Schwester des Beklagten.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 18.12.2002 (Bl. 25, 57 ff.d.A.) wurde die S7 GmbH u.a. zu dem oben genannten Gesellschaftszweck gegründet. Die Mehrheitsbeteiligung mit 75 % der Stammeinlage hielt die S2 GmbH & Co. KG. Das Stammkapital für die S9 GmbH wurde in voller Höhe eingezahlt.

Am 30.01.2003 wurde die S7 GmbH in das Handelsregister eingetragen (Bl. 23 d.A.). Zum Geschäftsführer wurde Herr M2 M3 bestellt, der selbst an der S7 GmbH mit einem Anteil von 10 % beteiligt war. Prokuristin der S7 GmbH wurde Frau I1 S8, die zugleich mit 5 % an der S7 GmbH beteiligt war.

Hinsichtlich der Mitarbeiter der S2 GmbH & Co. KG erfolgte ein Betriebsübergang auf die S7 GmbH. Die Mitarbeiter arbeiteten in den gleichen Räumen wie zuvor weiter. Die S7 GmbH erhielt im Wesentlichen Aufträge der S2 GmbH & Co. KG. Soweit die S7 GmbH von der S2 GmbH & Co. KG Aufträge erhielt, ihr für die Materialeinkäufe aber die erforderlichen Mittel fehlten, trat die S2 GmbH & Co. KG in Vorkasse.

Ob die Geschäftsführung der S7 GmbH tatsächlich bei dem Beklagten lag und dieser praktisch die Geschäftsführung für die S7 GmbH wahrnahm, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Im Jahre 2003 machte der Kläger, der zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.779,38 EUR bezog, die Bezahlung von Überstunden gegenüber der S7 GmbH geltend. Da die Firma S7 GmbH hierzu nicht bereit war, erhob der Kläger am 15.07.2003 zum Arbeitsgericht Siegen – 3 Ca 1578/03 –. Im Verlaufe dieses Verfahrens sprach die Firma S7 GmbH mit Schreiben vom 23.12.2003, unterschrieben vom Geschäftsführer M3, gegenüber dem Kläger eine fristgemäße Kündigung zum 30.04.2004 aus. Der Kläger erweiterte die bereits anhängige Klage beim Arbeitsgericht Siegen. Der entsprechende Schriftverkehr zwischen dem Kläger und der S7 GmbH wurden auf Seiten der S7 GmbH vom Geschäftsführer M3 oder von der Prokuristin S8 unterschrieben.

Im Rechtsstreit 3 Ca 1578/03 schlossen der Kläger und die S7 GmbH am 30.01.2004 folgenden Vergleich (Bl. 13 f.d.A.):

  1. „Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund fristgerechter, betriebsbedingter Kündigung der Beklagten vom 23.12.2003 aus dringenden betrieblichen Gründen mit Ablauf des 30.04.2004 sein Ende finden wird.
  2. Das Arbeitsverhältnis wird bis zum 31.03.2004 beiderseits vertragsgemäß erfüllt.

    Der Kläger ist seit dem 05.01.2004 für die bisher gezahlte monatliche Vergütung 37,5 Wochenarbeitsstunden tätig. Mit Wirkung ab dem 02.02.2004 erbringt der Kläger seine Arbeitszeit binnen der betriebsüblichen Arbeitszeit von Montag bis Donnerstag von 6.30 Uhr bis 15.25 Uhr und am Freitag von 6.30 Uhr bis 12.20 Uhr.

  3. Mit Wirkung ab dem 01.04.2004 wird der Kläger unter Anrechnung auf seine ihm noch zustehenden Urlaubs- und Freizeitansprüche unter Fortzahlung der Vergütung von der weiteren Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt.

    Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass mit dieser Freistellung sämtliche Urlaubs- und F...

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