Entscheidungsstichwort (Thema)
Diskriminierung wegen des Alters durch Formulierungen in einer Stellenanzeige
Leitsatz (amtlich)
1. Die in der Stellenanzeige enthaltene Suche nach einer "Verstärkung unseres jungen Teams" mit einer Person, welche gerade das Studium erfolgreich abgeschlossen hat und nach einem Einstieg sucht, indiziert eine unmittelbare Altersdiskriminierung.
2. Dasselbe gilt für die Suche nach einer "Verstärkung unseres jungen Teams" mit einem "frisch gebackenen Juristen".
3. Der in einem Lebenslauf an dessen Ende unter der Überschrift "Besondere persönliche Merkmale" allein enthaltene Vermerk "zu 80 % schwerbehindert" ist ein ausreichender Hinweis auf eine bestehende Schwerbehinderung.
4. Die Verletzung der Förderpflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX, die fehlende Bestellung eines Schwerbehindertenbeauftragten nach § 98 SGB IX sowie die Nichterfüllung der Mindestbeschäftigungsquote nach § 71 Abs. 1 SGB IX indizieren eine Diskriminierung wegen Behinderung.
5. Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs bei der Geltendmachung einer Entschädigung nach § 15 AGG (hier: verneint).
Normenkette
AGG §§ 1, 7, 11, 15
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 13.10.2016; Aktenzeichen 3 Ca 943/16) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird auf die Anschlussberufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 13. Oktober 2016 (3 Ca 943/16) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juli 2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 1/5, die Beklagte zu 4/5.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Entschädigung wegen Diskriminierung wegen Alters und Behinderung aus Anlass einer erfolglosen Bewerbung des Klägers bei der Beklagten.
Der am xx.xx. 1968 geborene und mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 80 schwerbehinderte Kläger durchlief zunächst die allgemeine Schullaufbahn bis zum Erwerb der Hochschulreife. Nach einem Studium erwarb er sodann im Jahr 1989 die Qualifikation als Ingenieur der Nachrichtentechnik. Seitdem ist er freiberuflich als Software-Ingenieur tätig. Ab dem Jahr 2005 nahm er das Studium der Rechtswissenschaften auf, welches er im Jahr 2010 als Diplom-Jurist abschloss. Im Jahr 2012 erwarb er den Titel Master of Laws (LLM) und schloss zudem den theoretischen Teil des Fachanwaltslehrgangs für Medienrecht ab. Schließlich erwarb er nach einem Referendariat im Jahr 2015 das zweite juristische Staatsexamen. Wegen der Details seines Werdegangs wird auf den Lebenslauf (Anlage K1 zur Klageschrift, Bl. 17 f. d. A.) verwiesen.
Anfang des Jahres schrieb die Beklagte eine Stelle für einen Juristen aus. Hierzu veröffentlichte sie sowohl auf ihrer eigenen Internetpräsenz als auch über den Stellenmarkt des Verlages C. H. Beck ein entsprechendes Stellenangebot. Die Stellenanzeige auf ihrer Internetseite hatte folgenden Wortlaut (vgl. Anlage K4 zur Klageschrift, Bl. 24 d. A., Rechtschreibfehler im Original enthalten):
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Die Anzeige im Beck-Stellenmarkt 8/2016 hat folgenden Wortlaut (vgl. Anlage K3 zur Klageschrift, Bl. 22 d. A.):
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Mit einer Email vom 19. Mai 2016 (Anlage K2 zur Klageschrift, Bl. 21 d. A.) bewarb sich der Kläg...