Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Anspruchs auf Zahlung des Mindestlohns. Anrechnung von Sonderzahlungen als fester Vergütungsbestandteil auf den Mindestlohn
Leitsatz (redaktionell)
Es bestehen Bedenken, ob die jährliche Zahlung von Weihnachts- und Urlaubsgeld als Leistung i.S. des MiLoG anzusehen wäre. Dies kann jedoch dahinstehen, wenn die Vertragsparteien bereits lange vor Inkrafttreten des MiLoG vereinbart haben, dass die bis dahin gezahlten Sonderzahlungen durch eine anteilige Erhöhung der monatlichen Grundvergütung gewährt werden.
Normenkette
MiLoG § 1 Abs. 1, 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Herne (Entscheidung vom 07.07.2015; Aktenzeichen 3 Ca 684/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 07.07.2015 - 3 Ca 684/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Vergütungszahlung für die Monate Januar und Februar 2015; die Klägerin will diese Ansprüche auf das Mindestlohngesetz stützen.
Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern seit dem 15.08.2006 als Servicekraft im Restaurant beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag, den die Parteien am 09.08.2006 abschlossen, beträgt die Arbeitszeit 19,5 Stunden wöchentlich. § 4 des Arbeitsvertrages lautet auszugsweise wie folgt:
"Die Weihnachtsgratifikation und das zusätzliche Urlaubsgeld werden nach unserer innerbetrieblich üblichen Regelung vergütet.
Die Weihnachtsgratifikation, das zusätzliche Urlaubsgeld oder sonstige Sonderzuwendungen sind jederzeit widerrufliche, freiwillige Leistungen des Arbeitgebers und begründen, auch bei wiederholter Zahlung, keinen Rechtsanspruch.
Bei Ausscheiden des Mitarbeiters aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch bis zum einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres, ist die Weihnachtsgratifikation in voller Höhe zurückzuzahlen."
Mit Schreiben vom 13.12.2010 wandte sich die Beklagte an die Klägerin wegen einer Änderungsvereinbarung. In dem Schreiben heißt es:
"Umstellung auf Jahresgehälter ab 01.01.2011
Sehr geehrte Frau H,
wir möchten zur Vereinfachung der Zahlungsweise die bisherigen, jährlichen Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld) auf 12 gleiche Monatsbeträge umstellen.
Für Sie hat dies den Vorteil, dass Ihnen diese Zahlungen bereits zu 1/12 jeden Monat zur Verfügung stehen. Außerdem würden auch etwaige Zusatzbedingungen für die jährlichen Sonderzahlungen entfallen.
Deswegen bitten wir Sie nunmehr direkt um Ihre Zustimmung für folgende Änderung ab 1.1.2011:
"Die bisherigen jährlichen Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld, ggf. Urlaubsgeld) werden anteilig zu 1/12 monatlich gezahlt, so dass Sie ab 1.1.2011 eine entsprechend höhere, gleichmäßige monatliche Grundvergütung erhalten. Wir sind uns einig, dass ab 1.1.2011 etwaige Ansprüche auf jährliche Sonderzahlungen nicht mehr bestehen."
Wir möchten Sie bitten, Ihre Zustimmung zu oben genannter Regelung durch Unterschrift auf der beiliegenden Zweitschrift zu bestätigen und diese bis 16.12.2010 bei Ihrer Bereichsleitung abzugeben.
Ihre Reaktion auf dieses Schreiben wird Bestandteil des Arbeitsvertrages und zu Ihrer Personalakte genommen.
Das Schreiben wurde von beiden Parteien unterzeichnet.
In den Lohnabrechnungen der Klägerin für die Monate Januar und Februar 2015 lauten die ersten drei Positionen jeweils:
Grundgehalt Lohnart 001 676,91 € brutto,
Grundgehalt 1/12 JL Lohnart 001 26,62 € brutto,
Grundgehalt 1/12 UG Lohnart 001 14,71 € brutto.
Mit ihrer am 11.02.2015 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 13.03.2015 zugestellten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von Restentgelt für die Monate Januar und Februar 2015.
Die Klägerin meint, die Beklagte sei verpflichtet, die monatlich geleisteten 84,5 Arbeitsstunden mit einem Stundenlohn in Höhe von 8,50 € brutto zu vergüten, woraus sich ein Anspruch in Höhe von 718,25 € brutto errechne. Die Beklagte sei überdies verpflichtet, der Klägerin ein monatliches Urlaubsgeld in Höhe von 14,96 € (718,25 € x 25 % x 1/12) und ein monatliches Weihnachtsgeld in Höhe von 29,92 € brutto (718,25 € x 50 % x 1/12) zu zahlen. Auf den sich sonach ergebenden Gesamtanspruch in Höhe von 763,13 € brutto habe die Beklagte sowohl im Januar als auch im Februar 2015 jeweils nur 718,24 € brutto gezahlt, so dass eine monatliche Differenz in Höhe von 44,89 € brutto bestehe. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das in den Lohnabrechnungen ausgewiesene und gezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld sei auf den Mindestlohnanspruch nicht anzurechnen. Nach dem Wortlaut der Bestimmungen unter § 4 des Arbeitsvertrages vom 09.08.2006 handele es sich um Gratifikationen, die keine Gegenleistung für die Arbeit der Klägerin seien. Wie sich aus der Rückzahlungsklausel unter § 4 des Arbeitsvertrages ergebe, stelle die Weihnachtsgeldzahlung eine Honorierung für gezeigte Betriebstreue dar. Eine Anrechnung von Weihnachts- und Urlaubsgeld auf den Mindestlohn verbiete sich auch deshalb, weil es sich ausweislich der Vereinbarung i...