Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche. hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigung. Manipulationen am Bremssystem eines betrieblichen Transportfahrzeugs, welches von einem anderen Arbeitnehmer bedient wird. Entbehrlichkeit der Abmahnung. Anhörung des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Vorsätzliche Manipulationen am Bremssystem eines betrieblichen Transportfahrzeugs, welches von einem anderen Arbeitnehmer bedient wird, sind an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 27.10.2005; Aktenzeichen 1 Ca 931/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.10.2005 – 1 Ca 931/05 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die fristlose, vorsorglich fristgerechte Kündigung seines Arbeitsverhältnisses.
Der am 24.05.1955 geborene Kläger ist verheiratet und hat 11 Kinder, darunter ein behindertes Kind. Der Kläger ist noch für sieben Kinder unterhaltspflichtig. Eingesetzt war der Kläger zuletzt als Kranfahrer für das Röhrenwerk der Beklagten. Seine monatliche Vergütung betrug zuletzt durchschnittlich 2.600,– EUR brutto.
Die Beklagte beschäftigt in ihrem Betrieb in B3xxxxxxx-B4xxxxxxx cirka 325 Arbeitnehmer. In dem Betrieb in B3xxxxxxx-B4xxxxxxx ist ein Betriebsrat gewählt.
Am 25.02.2005 manipulierte der Kläger die Bremse des von dem Zeugen K5xxxxxxxx geführten Transportfahrzeugs in dessen Abwesenheit.
Mit Schreiben vom 02.03.2005, welches dem Betriebsrat am 02.03.2005 zuging, teilte die Beklagte dem Betriebsrat ihre Kündigungsabsicht wie folgt mit:
Anhörung nach § 102 BetrVG
Sehr geehrte Herren,
sehr geehrter Herr M5xxxxxxx,
wir wenden uns an Sie im Fall von Herrn J1xxx T1xxxxxx, geb. am 24.05.1955, verheiratet, 11 Kinder, wohnhaft A1xxxxxxx 51, 31xxx A2xxxxxxxx, bei uns beschäftigt seit dem 02.01.1989 als gewerblicher Mitarbeiter, zuletzt als Kranfahrer im Bereich Feinrohradjustage.
Wir beabsichtigen, das mit Herrn T1xxxxxx bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich und fristgerecht zum nächstzulässigen Kündigungstermin (unter Berücksichtigung der in seinem Fall geltenden Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Monatsende) zu kündigen.
Die Kündigung sprechen wir als Tatkündigung aus. Herr T1xxxxxx wurde zu dem Sachverhalt im Einzelnen am 25.02.2005 und nochmals am 02.03.2005 angehört. Herr T1xxxxxx hat die Tat in dem am 25.02.2005 im Beisein der Herren von P5xxxxxxxxx, S6xxxxx, S7xxxx und S10xx geführten Gespräch eingeräumt. Am 02.03.2005 hat er den Sachverhalt gegenüber Herrn S8xxxxxxxxx und Herrn S7xxxx nochmals bestätigt.
Die beabsichtigte Kündigung stützen wir auf verhaltensbedingte Umstände.
Am 25.02.2005 stellte Herr A3x K5xxxxxxxx gegen 08.50 Uhr seinen Transportwagen zum Beladen von Rohren in der Halle 11 b ab, um ab 9.00 Uhr seine Frühstückspause in der Verzinkerei zu verbringen. Diese Zeit nutzte Herr T1xxxxxx, um die Lenkung und Bremse des Transportfahrzeugs von Herrn K5xxxxxxxx zu manipulieren. Er band das Lenkrad mit einem Bindfaden fest und manipulierte die Bremse mit drei Kabelbändern so, dass die Bremswirkung jedenfalls stark negativ beeinträchtigt wurde. Zusätzlich legte Herr T1xxxxxx ein Kantholz auf den zu diesem Zeitpunkt noch leeren Transportwagen. Als Herr K5xxxxxxxx gegen 9.20 Uhr aus der Frühstuckspause zurück kam, bemerkte er die Manipulation am Lenkrad sowie das Kantholz auf der Ladefläche, nicht aber die – nicht direkt sichtbare – Manipulation der Bremse. Da Herr K5xxxxxxxx sofort Herrn T1xxxxxx verdächtigte, versuchte er die Situation in einem Gespräch mit Herrn T1xxxxxx zu klären. Dieser räumte zwar ein, die Lenkung manipuliert zu haben und das Kantholz auf die Ladefläche gelegt zu haben, wies Herrn K5xxxxxxxx aber nicht auf die manipulierte Bremse hin. Herr K5xxxxxxxx nahm sodann gegen 09.30 Uhr seine Arbeit wieder auf und belud seinen Transportwagen mit vier Rohrpaketen (ca. 8 – 10 to), fuhr mit dem Transportwagen los und bemerkte beim Anbremsen in der zweiten Kurve (Halle 1 zur Halle 37), dass das Bremspedal blockierte und keine oder nur eine geringe Bremswirkung möglich war. Glücklicherweise konnte Herr K5xxxxxxxx sodann den Transportwagen ausrollen lassen und so zum Stehen bringen, dass niemand verletzt wurde oder Sachschäden entstanden wären.
Im später geführten Gespräch am 25.02.2005 wies Herr T1xxxxxx darauf hin, Herr K5xxxxxxxx habe ihn zuvor geärgert, indem er wiederholt beim Vorbeigehen an seinem Arbeitsplatz in der Adjustage 1 die Rückenlehne seines Stuhles verstellt habe.
Aus diesen Gründen ist eine weitere Zusammenarbeit mit Herrn T1xxxxxx selbst für die Dauer einer Kündigungsfrist untragbar.
Aus den oben genannten Gründen erbitten wir Ihre abschließende Stellungnahme gemäß § 102 BetrVG.
B3xxxxxxx, den 02.03.2005
Der Betriebsrat gab ke...