Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkurrentenklage. Schulaufsicht. Funktionsvorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 8 Abs. 3 S. 3 Verf NRW konkretisiert den Funktionsvorbehalt aus Art. 33 Abs. 4 GG. Der Beamtenbegriff der Norm ist daher, anders als etwa der haftungsrechtliche Beamtenbegriff des § 839 BGB, nicht statusübergreifend auszulegen.

2. Es besteht keine aus Art. 33 Abs. 2 GG resultierende Verpflichtung der Behörde, Bewerbungen aus dem Kreis der Angestellten in das Stellenbesetzungs- und Auswahlverfahren für ein Amt in der Schulaufsicht des Landes einzubeziehen, da es an der Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt.

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2; Verf NRW Art. 33 Abs. 4, Art. 8 Abs. 3 S. 3; SchulG NRW § 87; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

ArbG Münster (Urteil vom 21.10.2011; Aktenzeichen 4 Ga 34/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des verfügungsbeklagten Landes vom 30.11.2011 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 21.10.2011 – 4 Ga 34/11 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungskläger.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Sicherung der Ansprüche des Verfügungsklägers (im Folgenden: Kläger) im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens.

Der am 27.10.1955 geborene, verheiratete Kläger ist Lehrer. Am 8.5.1987 bestand er die Zweite Staatsprüfung für die Sekundarstufe II in den Fächern „Sozialpädagogik” und „Sondererziehung und Rehabilitation der Lernbehinderten”. Im Anschluss wurde er als Angestellter in den Schuldienst des verfügungsbeklagten Landes (im Folgenden: beklagtes Land) übernommen. Der Kläger ist derzeit am G1-Berufskolleg D1 tätig und übt dort die Funktion des ständigen Vertreters des Leiters/der Leiterin eines Berufskollegs aus. Gegenwärtig ist er im Rahmen eines Projekts an den Kreis S1 abgeordnet.

Um sich auf ein Amt als Schulleiter bewerben zu können, hat der Kläger an einem dafür obligatorischen Eignungsfeststellungsverfahren (EFV) teilgenommen. Darüber verhält sich die dienstliche Beurteilung der Bezirksregierung A1 vom 10.8.2009 (Bl. 11 ff d. A.), auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. In dem dortigen Gesamturteil wird festgestellt, dass die Leistungen des Klägers die Anforderungen in besonderem Maße übertreffen (Spitzennote). Zur weiteren dienstlichen Verwendung wird der Einsatz als Schulleiter an einem Berufskolleg vorgeschlagen.

Mit Bewerbungsschreiben vom 6.7.2011 nebst Anlagen (Bl. 16 ff d. A.), auf welches wegen der Einzelheiten verwiesen wird, bewarb sich der Kläger bei der Bezirksregierung Münster um die von dort zum 1.10.2011 ausgeschriebene Stelle einer/eines Leitende/-r Schuldirektor/-in als Dezernent(in) in der Schulaufsicht auf Bezirksebene für Berufskollegs, Besoldungsgruppe A 16 BBesO. Die Stellenausschreibung erfolgte unter Hinweis auf § 54 LVO. Bewerbungsschluss war der 11.7.2011.

Unter dem 15.8.2011 teilte die Bezirksregierung dem Kläger mit, dass seine Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne. Die Übernahme der Funktion des schulfachlichen Dezernenten in der Schulaufsicht sei nach Art. 8 Abs. 3 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen (Verf NRW) fachlich vorgebildeten Beamten vorbehalten. Da er als Lehrer im Angestelltenverhältnis tätig sei, könne eine Übernahme als Beamter in die Laufbahn des Schulaufsichtsdienstes nicht erfolgen, weshalb die Bewerbung nicht berücksichtigt werde.

Mit seinem am 31.8.2011 bei dem Arbeitsgericht eingegangenem Antrag vom 25.8.2011 hat der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung seiner Ansprüche im Rahmen des Stellungsbesetzungsverfahrens beantragt. Er habe einen Rechtsanspruch darauf, dass er am Stellenbesetzungsverfahren teilnehme, seine Bewerbung müsse im Auswahlverfahren berücksichtigt werden. Zur effektiven Wahrnehmung seiner Rechte wäre es ferner erforderlich, dem beklagten Land die Besetzung der Stelle vorläufig zu untersagen, bis über die Frage der Berücksichtigung seiner Bewerbung erstinstanzlich entschieden worden sei.

Seine Bewerbung müsse in das Auswahlverfahren einbezogen werden, da er alle fachlichen Voraussetzungen erfülle und Spitzenleistungen gezeigt habe. Es fehle, formal betrachtet, lediglich der Beamtenstatus, der mit der Befähigung und Leistung des Bewerbers nichts zu tun habe, sondern von dem Lebensalter bei der Einstellung abhänge. Art. 8 Abs. 3 der Landesverfassung stehe einer Berücksichtigung seiner Bewerbung nicht entgegen. Die Norm spreche mit dem Begriff des „Beamten”, unabhängig von der Statusfrage, lediglich den Träger eines öffentlichen Amtes an. Schwerpunkte der Regelung seien die Hauptamtlichkeit und die fachliche Vorbildung. Der dortige Beamtenbegriff umfasse deshalb, vergleichbar der allgemein anerkannten Auslegung des § 839 BGB, Beamte und Angestellte.

Dieses Verständnis spiegle sich in den Richtlinien des beklagten Landes für die dienstliche Beurteilung von Lehrkräften wieder (RdErl. des Ministeriums für Schule, Jugend, und Kinder v. 2.1.2003). Die dort unter 4.3.1. geregelten Vorrausetzungen für die Anlassbeurteilung...

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